Die Eiserne Lady: Der Preis des Erfolgs
„Du bist eine Karrierefrau, ein Kind ist dir nur im Weg. Gib es zu, dann wird es für alle leichter!“
Sophie wusste schon als Kind: Sie war für Großes bestimmt. Ihre Mutter, Helene Müller, war eine sanfte, liebevolle Frau, deren Leben in der Fürsorge für ihre fünf Kinder aufging. Sie hatte auf eine Karriere verzichtet, und Sophie empfand nur Verachtung dafür. Helene, immer mit einem zerstreuten Lächeln, wurde von ihrem Mann und den Söhnen mit Blumen überschüttet. Doch Sophie, das einzige Mädchen, fühlte sich fremd in diesem warmen Familiennest.
„Du wirst so kalt, Sophie“, seufzte die Mutter. „Soll ich dir die Haare flechten, so schön wie früher?“
„Mach ich selbst“, schnappte Sophie, obwohl ihre Frischen immer unordentlich aussahen. „Und lass mich in Ruhe, ich muss lernen!“
„Geh doch mal mit Freundinnen raus“, bat Helene. „Von uns verlangt niemand Einsen. Komm in die Küche, ich zeig dir, wie man Fleischkuchen backt. Dein Vater liebt ihn.“
„Ihr denkt nur ans Fressen!“, fauchte Sophie. „Kein Wunder, dass du aussiehst wie ein Sack Kartoffeln!“
„Den ganzen Tag am Herd“, verteidigte sich die Mutter. „Da nascht man eben mal hier und da – da kommen die Kilos.“
Sophie schnaubte nur. Sie hielt sich selbst in eiserner Disziplin: strenger Tagesplan, kein Stück Schokolade zu viel. Diese Willenskraft brachte ihr das Abitur mit Auszeichnung und einen Platz an der Elite-Uni in München.
An der Uni war Sophie der Star. Selbst komplizierte technische Fächer schreckten sie nicht ab, sie überflügelte alle. Die Jungs lachten und meinten, sie würde eh heiraten und ihre Ambitionen begraben. Doch Sophie gab nicht auf. Im fünften Semester traf sie Markus. Die Hochzeit war schlicht – nur Standesamt.
„Ich brauche kein großes Fest“, erklärte Sophie ihrem Mann. „Aber du musst versprechen, mich zu unterstützen. Und du gehst in Elternzeit. Ich kann keine Zeit mit Kindern verschwenden, jetzt ist meine Chance für die Karriere.“
„Sophie, unsere Mütter träumen von Enkeln, sie helfen gern“, widersprach Markus.
„Beide sind Hausfrauen ohne Ambitionen!“, fuhr Sophie auf. „Ich vertrau ihnen kein Kind an. Wir schaffen das allein.“
„Ich will auch Karriere machen“, sagte Markus verletzt. „Nicht nur du bist klug. Wir könnten die Elternzeit teilen, damit keiner zurücksteckt. Familie bedeutet Kompromisse.“
„Ich hasse dieses Wort!“, winkte Sophie ab. „Ohne Opfer geht es auch.“
Nach dem Abschluss nahm sie ihre Wunschfirma nicht. Ein Schlag ins Gesicht, besonders als Markus problemlos dort landete – plus ein Forschungsstipendium. Sophie verdoppelte ihre Anstrengungen, arbeitete wie besessen, während andere faulenzten. Ein halbes Jahr später flogen die Konkurrenten raus, und sie bekam den Job – nicht als Praktikantin, sondern fest angestellt. Beim Vorstellungsgespräch fragte der Chef, ein Mann Mitte vierzig, skeptisch:
„Meine Liebe, wenn Sie in einem Jahr in Elternzeit gehen, passt das nicht für uns.“
„Ich möchte Ihren Posten übernehmen“, antwortete Sophie mit eisigem Lächeln. „Sie werden es nicht bereuen.“
Sie hielt Wort, schuftete ohne Ende, doch statt Anerkennung hagelte es Vorwürfe. Ihre Schwiegermutter, Gudrun Schneider, ließ kein Missfallen aus: „Immer nur Karriere, wann kommt die Familie?“ Sophie mied sie bald. Dann erfuhr sie, dass sie schwanger war.
Die Geburt fiel auf den Tag eines wichtigen Meetings. Am nächsten Tag arbeitete Sophie schon aus dem Krankenhaus. Nach der Entlassung die Frage: Wer kümmert sich um den kleinen Jakob?
„Du hast es versprochen!“, fuhr Sophie Markus an. „Jetzt drückst du dich! Wegen dir platzt meine Dienstreise!“
„Sophie, er ist ein Winzling“, seufzte Markus. „Er braucht seine Mutter, Milch, nicht mich. Wo ist dein Mutterinstinkt? Sei doch mal eine Frau!“
„Wie redest du mit mir?!“ explodierte Sophie.
„Okay, ich bleibe“, gab Markus nach. „Aber ich hole mir Hilfe, wenn ich will.“
Sophie winkte ab, schon am Planen der Reise. Jakob ließ sie im Bettchen, ohne ihn anzusehen. Die Schwangerschaft war ihr wie ein Projekt: gesunde Ernährung, Sport, Babyausstattung, sein Lebensplan bis zur Volljährigkeit.
Nach einer Woche kam sie zurück – und hörte spöttisch:
„Da ist unsere Kuckucksmutter“, zischte Gudrun. „Gleich fliegt sie wieder ins Büro, ohne den Sohn zu sehen. Braucht sie ja nicht – wir kommen klar.“
„Was laberst du?“, stürmte Sophie ins Kinderzimmer.
„Wo ist die Lüge?“, grinste Gudrun. „Bist du etwa keine Kuckucksmutter?“
„Wo ist Markus?“, fauchte Sophie. „Er sollte sich kümmern, nicht alles auf dich abwälzen. Wie heißt eigentlich der männliche Kuckuck? Soll dein Sohn auch einen Spitznamen kriegen?“
„Frech bist du“, spottete Gudrun. „Dank mir doch, dass ich helfe.“
„Wofür?“, warf Sophie kalt hin. „Ihr macht das toll. Macht weiter.“
Jakobs Geburt trieb sie noch mehr an. Sie stürmte die Karriereleiter, opferte alles. Tagsüber Verhandlungen, nachts Zahlen und Pläne. Markus versuchte, Vater zu sein, doch Sophie fand sich nicht im Muttersein.
„Tante, gib!“, sagte Jakob einmal mit einem Jahr.
„Wie nennt er mich?“, schockierte Sophie. „Hat deine Mutter ihm das beigebracht? Ich will sie hier nicht!“
„Was erwartest du?“, fragte Markus müde. „Du bist rund um die Uhr im Büro, zu Hause nur nachEines Tages, als sie Jakob im Park besuchte und sah, wie er lachend mit seiner neuen Stiefmutter spielte, merkte Sophie, dass Erfolg allein nicht glücklich macht.