**Die Rückkehr nach Hause**
Hans‘ Augen füllten sich mit Tränen, sein Blick wurde trübe – als wären in einer Minute ein ganzes Leben an ihm vorbeigezogen. Gerda erkannte in diesem abgehärmten, ergrauten Mann kaum noch ihren einst so stattlichen und starken Ehemann. Er saß auf dem zerknitterten Bett in dem dunklen Zimmer, unfähig, ein Wort herauszubringen. Obwohl ihn die Scham innerlich zerfressen mochte, wusste er: Er hatte es verdient. Er hatte die Frau verraten, mit der er fast sein ganzes Leben verbracht hatte. Und jetzt, als er in die Augen der Frau blickte, die er vielleicht immer noch liebte, wagte er nicht einmal um Vergebung zu bitten.
Sie hatten 1987 geheiratet, ohne große Feier, ohne Schleier und Festmahl. Hans kam von der Bundeswehr zurück und zögerte nicht lange – er holte seine Eltern, um bei der Frau anzuhalten, die zwei Jahre auf ihn gewartet hatte. Gerda war schüchtern, aber entschlossen: Sie wollte keine Hochzeit, sie würde Hans sofort heiraten, ohne auf den August zu warten. Weder die Bitten der Mutter noch die Späße des Vaters konnten sie aufhalten. Und als Hans allen ins Gesicht sagte: *„Ich nehme Gerda mit, und ihr habt kein Recht, sie zu verurteilen“*, verstummten die Eltern. So begann ihr gemeinsames Leben.
Neunundzwanzig Jahre lebten sie zusammen. Drei Kinder: der Sohn Michael, die Töchter Sabine und Lena. Michael und Sabine hatten eigene Familien, die Enkelkinder kamen oft ins Dorf. Lena, die Jüngste, studierte noch und lebte bei den Eltern. Alles verlief ruhig, bis Claudia auftauchte.
Claudia kam aus der Nachbarstadt nach ihrer Scheidung an. Siebzehn Jahre jünger als Hans, lebhaft, auffällig, kinderlos und, wie sich herausstellte, ohne Skrupel. Sie arbeiteten zusammen, pendelten im Schichtdienst zum Werk im Landkreis. Claudia sah in Hans schnell ihre Beute: stark, fleißig, verlässlich – ihre Chance. Zuerst waren es kleine Dinge: Sie „stolperte“, bat ihn, ihre Tasche zu tragen, lobte seine Stärke, lachte albern, bedauerte, *„dass sie nicht früher so einen Mann getroffen hatte“*. Und Hans fiel darauf ein. Nicht sofort. Aber er fiel darauf. Treffen in der Stadt, späte Rückkehr, Lügen über Maschinenschäden auf der Arbeit.
Gerda bemerkte es. Aber sie vertraute ihm. Nicht aus Naivität – aus Liebe. Als er ihr eines Tages verlegen und stotternd erklärte, er gehe, er habe sich in eine andere verliebt und sie erwarte ein Kind…, blieb sie wie erstarrt auf dem Hocker sitzen, blass wie die Wand. Nur ein Wort brachte sie hervor:
*„Geh.“*
Er ging. Die Kinder wandten sich von ihm ab. Gerda versuchte, sie umzustimmen: *„Das Leben ist nicht schwarz-weiß, er ist trotzdem euer Vater“*, aber sie hörten nicht. Hans war fort, doch ihr Schmerz blieb.
Fünf Jahre vergingen. Lena heiratete, lebte in der Nachbarschaft, Gerda arbeitete, wartete auf Enkelkinder. Hans lebte mit Claudia. Ein Mädchen war geboren worden, Annika, wie er aus dem Gesicht geschnitten. Er liebte seine Tochter, holte sie aus dem Kindergarten, kümmerte sich um sie. Doch Claudia… war keine Frau, sondern ein Unglück. Grob, faul, gierig, untreu. Im Haus herrschten Schmutz, Kälte und Verachtung. Freunde wandten sich ab. Doch er ertrug es – für Annika.
Eines Tages ging Gerda in die Apotheke, und die Apothekerin Monika ließ fallen:
*„Dein Ex hatte einen Herzinfarkt. Claudia kam wegen Medikamenten, teuer, meinte sie, besser wäre eine Witwenrente.“*
Gerda sagte nichts und ging. Den ganzen Tag war sie unruhig. In der Nacht träumte sie: Hans krümmte sich vor Schmerzen, Claudia stand daneben und lachte. Am Morgen warf Gerda ihren Mantel über und ging.
Die Tür öffnete ein kleines Mädchen.
*„Mama ist nicht da, sie ist bei Tante Lisa. Papa ist krank.“* Sie führte Gerda ins Haus.
Hans lag da, bleich, abgezehrt, fast ein Schatten. Als er Gerda sah, flüsterte er:
*„Ich bin erbärmlich. Aber ich habe es verdient.“*
Sie schwieg.
*„Ich kann nicht zurückkommen“, sagte er. *„Ich bin es nicht wert. Und Annika kann ich nicht allein lassen, Claudia würde sie ruinieren…“*
*„Ich vergebe dir nicht“, antwortete Gerda leise. *„Aber komm nach Hause. Da wirst du gesund. Und um Annika brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich werde das Jugendamt einschalten, wenn ich muss. Wenn du stirbst, ist sie verloren.“*
Hans weinte. Dann hob er den Kopf.
*„Wirklich… nach Hause?“*
Sie nickte. Er stand auf, allein. Nahm Annikas Hand. Die andere streckte er Gerda entgegen. Sie nahm sie – nicht, weil sie vergeben hatte, sondern weil sie nicht anders konnte. Weil wahre Liebe bleibt, selbst durch Schmerz, Verrat und Jahre hindurch.
Sie gingen. Gerda rief ihren Schwiegersohn Thomas an, der kam ohne viele Worte. Für Claudia blieb ein Zettel. Abends tauchte sie auf, betrunken, machte eine Szene. Doch Gerda drohte mit Polizei und Jugendamt. Da knickte sie ein:
*„Nimm sie! Der alte Knacker ist mir sowieso nichts wert!“*
Hans und Annika blieben. Michael und Sabine sprachen lange nicht mit ihrem Vater, doch Annika erweichte ihre Herzen. Lena akzeptierte ihre Schwester sofort.
Und Hans… Er wurde nicht wieder, wie er war. Sein Herz war nicht mehr dasselbe. Aber Gerda war da. Und das bedeutete – er war wieder zu Hause. In seinem Zuhause. Am Leben. Bei denen, die ihn wirklich liebten.