— Lars, hast du wirklich nichts vergessen? Soll ich noch mal nachschauen? — rief ich, blieb an der Badezimmertür stehen.
— Greta, alles ist gepackt. Der Koffer ist voll! — antwortete er über das Rauschen der Dusche hinweg. Doch irgendetwas in seiner Stimme klang beunruhigt, unsicher.
Ich trat einen Schritt zurück. Den Koffer hatte ich gesehen, aber was genau er hineingestopft hatte – das wusste ich nicht.
— Mach mir bitte einen starken Kaffee, ohne Milch — sagte er nun mit ruhigerer Stimme.
Automatisch ging ich in die Küche. Schüttete Kaffeepulver in die Kanne, fügte Wasser hinzu, eine Prise Salz. Obwohl wir eine Kaffeemaschine hatten, bestand er immer darauf, ihn per Hand aufzubrühen – so wie es seine Oma tat. Und ich tat es. Gewohnheit. Liebe.
— Göttlicher Duft eines göttlichen Getränks! — betrat er den Raum, strich sich durch das nasse Haar und setzte sich an den Tisch. — Wenn der Kurier kommt, nimm das Paket an. Ich habe neue Autoschonbezüge bestellt.
— Ohne Vorkasse? — setzte ich mich ihm gegenüber in den Sessel.
— Bezahlung bei Abholung — seufzte er. — Und, verdammt, diese Dienstreise trifft mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ablehnen konnte ich nicht, du verstehst schon: Karriere. Immerhin Abteilungsleiter.
— Wer hätte gedacht, dass ‚Abteilungsleiter‘ auf Dienstreisen geschickt werden…
Er zuckte mit den Schultern, griff nach seinem Handy – als ob er noch schnell etwas erledigen müsse. Stand auf, ging.
Ich blickte auf die leere Tasse – nicht weggeräumt. Nun ja, ich würde ihm verzeihen. Er hat den Kopf nicht bei Tassen – so aufgeregt wie er ist, die erste Dienstreise…
Dann – ein Signal. Eine Nachricht.
Ich öffnete sie.
*„Greta, Lars lügt. Er fliegt nach Griechenland mit Karin Müller. Halt ihn auf, er macht einen Fehler.“*
Jana. Seine Schwester.
Ich erstarrte. Kein Scherz. Jana machte keine Witze über solche Dinge. Also – es stimmte.
Panik stieg in mir auf. Ich setzte mich. Das Wasser im Glas – runtergestürzt in einem Zug. Das zweite auch. Ich wollte heulen. Eine Szene machen. Alles zerschlagen. Doch stattdessen – Stille. Eis in meinen Adern.
Er wusste alles. Hatte es geplant. Unser gemeinsames Geld genutzt, seine Sachen gepackt, über die Dienstreise gelogen. Und ich… hatte ihm Kaffee gekocht.
Ich griff wieder zum Handy. Öffnete die Banking-App. Zweitausend Euro. Minus fünfhundert. Er hatte bereits abgehoben. Das Geld war größtenteils meins.
Mit Karin… Ich kannte sie. Seine Jugendliebe. Er selbst hatte davon erzählt. Jana – hatte ergänzt. Diese Karin hatte ihn damals verlassen, war zurückgekommen, dann wieder gegangen. Und nun – tauchte sie wieder auf. Die Vergangenheit holte ihn ein.
Warum hatte er es mir nicht einfach gesagt? Warum – nicht wie ein anständiger Mensch?
Ich würde handeln. Den Rest abheben. Die Scheidung einreichen. Seine Sachen – per Kurier schicken. Morgen ist die Präsentation – ich bin bereit. Danach nehme ich mir Urlaub. Nach Griechenland fliege ich nicht. Aber sicher – allein.
Er kam zurück in die Küche. Bereit, im Anzug.
— Ich fahre jetzt. Dachte, ich mache mich früher auf den Weg — sagte er.
— Gute Dienstreise — presste ich zwischen den Zähnen hervor.
— Greta, was ist? Klingst so bissig…
— Einbildung.
— Ich werde dich vermissen.
— Ich bezweifle, dass du die Zeit dafür haben wirst.
— Bringst du mich nicht zur Tür?
— Du kennst den Weg. Ich spüle noch das Geschirr.
Er ging. Der Koffer knirschte über den Boden. Die Tür fiel ins Schloss.
Und ich hatte nur einen Gedanken – die Schlösser austauschen. Morgen. Ich rief die Hausverwaltung an – erledigt.
Erst dann erlaubte ich mir zu weinen. So schmerzhaft. So eklig.
Das Handy piepte erneut.
*„Greta, wie geht’s dir?“* – wieder Jana.
Ich rief sie an.
— Woher die Info? — fragte ich trocken.
— Von einer Freundin von Karin. Sie packen bereits ihre Koffer. Ich konnte nicht schweigen, Greta.
— Danke. Aber ich habe ihn nicht aufgehalten. Soll er gehen. Die Entscheidung ist gefallen.
— Mein Gott, was für ein Trottel. Wieder lässt er sich verarschen…
— Soll er. Aber sag ihm nicht, dass ich Bescheid weiß.
— Natürlich nicht. Und überhaupt – ich habe nicht vor, noch ein Wort mit ihm zu wechseln. Er ist ein Idiot.
— Jana… danke. Ich überweise den Rest des Geldes jetzt an Mutti. Lieber liegt es bei ihr. Dann kümmere ich mich um die Scheidung.
— Du bist stark, Greta. Bleib so.
Ich legte auf. Sah – nochmal zweihundert Euro weniger. Unfassbar. Sofort – Überweisung an Mutti. Alles, bis auf den letzten Cent.
— Hallo, Mutti?
— Ja, Greta. Hast du Lars verabschiedet?
— Mutti, ich überweise dir eintausendneunhundert. Auf mein Konto kann ich es nicht legen – bei der Scheidung bekäme er die Hälfte. So bleibt alles meins.
— Was ist passiert?..
— Er ist mit seiner Geliebten weg. Nach Griechenland.
— Oh Gott… Greta…
— Schluss. Jetzt bin ich frei. Er wollte keine Kinder – ich schon. Alleine großziehen. Das war’s.
— Tochter… Vielleicht ist doch nicht alles verloren? Der Neffe von Veronika…
— Mutti, nicht jetzt. Ich überweise das Geld. Wir reden später.
Und erst als ich auflegte, holte ich tief Luft – das erste Mal an diesem Tag. Es schmerzte. Aber das Atmen fiel leichter.