Wenn die Pause zum Ende wird

— Ich bin müde. Müde von dir, von der Familie, vom Alltag. Ich will allein leben. Ich muss mich selbst finden. — Er sagte es eiskalt, wie ein Urteil, ohne mir in die Augen zu sehen. — Mit dir ist es langweilig. Ich war so lange nicht mehr allein. Ich brauche eine Pause.

Die Worte trafen mich wie eisiger Regen ins Gesicht. Zehn Jahre Ehe. Wir waren beide fünfunddreißig. Unser Sohn erst drei. Sechs lange Jahre hatten wir gekämpft, damit er endlich da war. Arzttermine, Behandlungen, Hoffnungen, Enttäuschungen. Und dann – zwei Streifen auf dem Test, und er weinte auf den Knien. Als ich aus der Klinik kam, war die Wohnung voller Blumen. Und jetzt – eine Pause.

Er packte schweigend, als hätte er es eilig. Nur Wintersachen. Immer wieder verschwand er in die Küche, um einen Kurzen zu trinken, als würde der Schnaps ihm Mut geben. Unser Sohn streckte die Ärmchen nach ihm aus, plapperte etwas, aber er wich aus, sah nicht hin, hörte nicht zu. Eine halbe Stunde später knallte die Tür. Er war weg. Ich blieb zurück – mit dem Kind, der Stille, der leeren Luft.

Wir lebten in der Wohnung meiner Oma, wenigstens das Dach über dem Kopf war sicher. Aber das Geld wurde knapp. Ich hatte auf Druck meines Mannes gekündigt, als unser Sohn anderthalb war.

— Wir haben so lange auf ein Kind gewartet —, hatte Denis gesagt. — Er gehört nicht in die Kita. Wenn du willst, zieh ihn selbst groß. Ich sorge für euch.

Und er hatte es getan. Ohne Rechnungen, ohne Vorwürfe. Ich dachte, ich hätte die perfekte Familie: Gemütlichkeit, Fürsorge, gemeinsame Pläne. Und er zählte wohl die Tage bis zur „Pause“.

— Er hat eine andere, sag ich dir —, flüsterte meine Freundin Lara. — Müde, ja klar. Das sagen sie alle. Geh, fordere Unterhalt, selbst wenn ihr noch verheiratet seid. Was sollst du tun, während er allein „nachdenkt“?

Also tat ich es. Ich stellte den Antrag und suchte verzweifelt einen Job. Zum Glück war meine alte Stelle frei. Aber für den Sohn gab es keine Betreuung – der Kitaplatz fehlte, ich hatte mich nicht angemeldet.

Meine Mutter, erschöpft, mit einer Rente von achthundert Euro, sagte:

— Bring ihn mit. Schwer ist es, mit eurem Wirbelwind, aber wir schaffen das. Nur Essen musst du vorbeibringen.

Ich lieh mir Geld von Lara – für Essen, für die Bahn. Und mein Mann? Kein Anruf. Keine Frage, was unser Sohn aß. Kein Interesse an den Nebenkosten. Er war weg. Nicht nur körperlich.

Dann sah ich ihn. In einem Café nahe meinem Büro. An seinem Tisch saß eine auffällige Brünette, Mitte zwanzig. Sie lachten. Er hielt ihre Hand. Sah entspannt aus, zufrieden. Ich holte mein Handy, machte ein Foto – zur Erinnerung. Und ging weiter. Ohne Drama. Ohne Tränen.

Langsam wurde alles leichter. Zu Hause war es ruhiger. Sauberer. Nichts lag mehr herum. Ich musste keinen Grünkohl mehr kochen, den er liebte und ich hasste. Keiner beschwerte sich über eine ungewaschene Tasse oder drehte Fußball laut auf. Und mir fiel auf: Ich atmete freier ohne ihn.

Ich begann mich zu erinnern, wer ich war. Dass ich Eishockey liebte, nicht Fußball. Dass ich sein Parfum hasste, das er mir jedes Jahr schenkte. Dass mir lange Haare nicht stehen, aber ein kurzer Schnitt perfekt passt. Dass Jeans und Turnschuhe mein Ding sind – nicht die Blümchenkleider, die ich für ihn trug.

Stück für Stück kam ich zu mir zurück. Nach drei Monaten gab es eine Beförderung, mehr Gehalt. Ich kaufte neue Klamotten, strich die Wände in den Farben meiner Kindheit und – reichte die Scheidung ein.

Acht Monate war er weg. Keine SMS, kein Anruf. Zwei Tage vor dem Gerichtstermin stand er plötzlich da. Mit Blumen. Mit Obst.

— Ich habe nachgedacht —, sagte er. — Ich komme zurück. Nur… die Wände sind jetzt schrecklich. Und der Haarschnitt… steht dir überhaupt nicht.

— Ich habe auch nachgedacht —, antwortete ich. — Und beschlossen, dass ich dich nicht mehr brauche. Die Farbe ist meine Lieblingsfarbe. Der Schnitt gefällt mir. Übrigens, wie heißt deine „Nachdenk-Hilfe“?

Ich zeigte ihm das Foto. Er erbleichte.

— Ich lasse mich scheiden —, sagte ich ruhig. — Unser Weg trennt sich hier. In echten Beziehungen gibt es keine Pausen.

Ich schloss die Tür. Für immer. Und es tut kein bisschen leid. Denn endlich bin ich wieder ich selbst. Und ich habe verstanden: Ich brauche mich. Viel mehr als ihn.

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Das unerwartete Geschenk des Schicksals