Zu schön für das Glück

Sie trafen sich in der Stadtbücherei – er kam wegen einer Sportenzyklopädie, sie wie immer stöberte in der Klassikerabteilung. Karl war wie vom Cover einer Illustrierten: groß, athletisch, schwarze Locken, grüne Augen und Wimpern, länger als bei den meisten Mädchen. Leni stockte der Atem – so unwirklich schien er, als dass er sie beachten würde.

Sie war nicht hässlich, schlank mit sanften Zügen, blondem Haar und ruhiger Stimme. Doch neben Karl wirkte sie unscheinbar. Als sie sich trafen, fragten Freundinnen unverblümt:

„Der ist doch nichts für dich, Leni. Solche bleiben nie lange… Der hat seinen Spaß und dann ist Schluss.“

Doch Leni war glücklich. Er überschüttete sie nicht mit Blumen, machte keine großen Gesten, blieb aber an ihrer Seite, ging mit ihr ins Kino, umarmte sie so leidenschaftlich, dass ihr die Knie weich wurden.

Beim ersten Besuch zuhause sah sie, wie ihre Mutter erstarrte. Gisela, eine strenge, bedachte Frau, zog sie nach dem Essen beiseite:

„Glaubst du, er meint es ernst?“

„Ja, Mama. Ich liebe ihn. Er ist der Richtige.“

„Lenchen… Ein schöner Mann gehört keinem. Immer werden andere hinter ihm her sein. Und in ständiger Eifersucht leben – das ist die Hölle.“

Leni fuhr auf:

„Sagst du das wegen Vater? Verurteile nicht alle wegen einem! Karl ist anders.“

„Beeil dich nicht. Prüfe die Gefühle. Wahre Liebe hält der Zeit stand.“

Leni versprach es, zweifelte aber heimlich nicht an seiner Aufrichtigkeit. Die Liebenden trafen sich weiter, doch mit der Zeit wurde Karl unzuverlässig: Fitnessstudio, Schwimmbad, Treffen mit Kumpeln. Leni, nicht zurückstehen wollend, ging mit, obwohl es ihr nicht lag.

Im Schwimmbad starrte er Mädchen in bunten Badeanzügen hinterher, im Studio nahm er Flirten als selbstverständlich hin. Und sie… fühlte sich wie ein Schatten. Einmal erkältete sie sich nach dem Training schwer.

„Du bist echt eine Memme“, grinste Karl. „Das liegt dir nicht.“

Immer öfter dachte Leni an die Worte ihrer Mutter. Karl wurde kühler, sie litt. Er lud sie seltener ein. Und eines Tages war er einfach fort. Kein Anruf, kein Besuch. Verschwunden, als wäre nie etwas gewesen.

Die Mutter, als sie die Tochter verkümmern sah, sagte streng:

„Zum Frisör! Dann Stoff kaufen – neue Kleider brauchst du.“

Leni widersprach nicht. Sie änderte ihren Haarschnitt, nähte ein neues Kleid und ging unter Leute. Beim Tanzabend bemerkte man sie. Einer – Friedrich – glich Karl nicht: schlicht, unscheinbar, aber mit gutmütigem Blick. Nach einem Monat machte er einen Antrag.

„Liebst du ihn?“, fragte die Mutter.

„Er ist der Einzige, der nur mich ansieht. Ist das nicht Liebe?“

Die Hochzeit war bescheiden, doch hell. Nach einem Jahr kam die Tochter, nach drei der Sohn. Und Leni… wurde wirklich glücklich. Ein Zuhause, Kinder, ein Mann, der sie schätzte und hütete.

Manchmal fiel Karls Name. Freundinnen erzählten, er habe bereits seine Frau für eine Geliebte verlassen, sei noch immer – schön, aber leer. Leni schüttelte nur den Kopf:

„Nun, jeder hat seinen Weg. Hauptsache, man findet den, der bei einem bleibt – nicht nur für sich selbst.“

Und daheim erwarteten sie vertraute Stimmen, Hände, Blicke. Und die Mutter. Jene kluge Mutter, die einst ihre Tochter vor schönem Unheil bewahrt hatte.

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