**Erbschaft am See: Der Kampf um Opas Traum**
Opa hinterließ dir nur das alte Boot, warf Onkel Olaf kalt hin. Doch als Tom es untersuchte, fand er Papiere, die das Geheimnis eines Grundstücks bargen.
Tom stand in seiner Wohnung in München, als das Telefon klingelte.
„Tom, komm schnell. Opa ist gestern gestorben.“ Die Stimme seines Cousins Olaf klang kühl, fast gleichgültig.
Toms Hand zitterte, als er das Telefon umklammerte. Opa Friedrich war mehr als nur ein Verwandter – er war der Einzige gewesen, der nie etwas zurückverlangte, keine Ratschläge aufzwang.
Einen Tag später stand Tom auf dem Friedhof eines kleinen Dorfes am Bodensee. Nur wenige Leute waren gekommen: Olaf mit seiner Frau Gisela, ein paar Nachbarn und eine ältere Frau mit dunklem Kopftuch, deren Tränen echt wirkten.
„Das ist Maria Schneider“, flüsterte eine Nachbarin. „Sie hat sich die letzten Jahre wie eine Tochter um Friedrich gekümmert.“
Nach der Beerdigung zog Olaf Tom beiseite, auf die Terrasse von Opas altem Haus.
„Hör zu, Neffe. Opa hat ein Testament hinterlassen, aber da steht fast nichts drin. Das Haus ist baufällig, der Teil des Grundstücks winzig – alles geht an mich als Ältesten.“
Tom nickte, es überraschte ihn nicht. Er hatte nie nach dem Erbe gegeiert.
„Dir gehört sein Fischerboot, die ‚Traum‘. Es liegt am Steg, hol es dir.“ Gisela, die danebenstand, schnaubte:
„Der alte Kahn ist nur Platzverschwendung, morsch bis auf die Planken.“
„Danke“, sagte Tom leise. „Opa hat es geliebt, darin zu fischen.“
„Fisch so viel du willst“, knurrte Olaf. „Aber der Liegeplatz kostet fünfzig Euro im Monat.“
Am nächsten Morgen ging Tom zum Steg. Die „Traum“ schaukelte im Wasser – ein altes Holzboot mit abgeblätterter grüner Farbe. Opas Name war kaum noch zu erkennen.
„Schönes Boot, oder?“ Eine Stimme hinter ihm.
Tom drehte sich um. Ein alter Mann mit grauem Bart streckte die Hand aus.
„Paul Wiener, Friedrichs bester Freund. Mein Beileid.“
„Tom, sein Enkel. Danke.“
„Opa hat oft von dir gesprochen. Du warst der Einzige, der ohne Hintergedanken kam.“
Tom stieg ins Boot und untersuchte es. Alte Ruder, ein zerrissenes Netz, ein paar Schwimmer. Ein leichter Regen setzte ein, und er versuchte, die Luke im Bug zu schließen. Sie klemmte. Mit einem Ruck öffnete sie sich – und gab ein Versteck frei.
„Was zum…“, murmelte er.
Darin lag eine Mappe, in wasserdichte Folie gewickelt. Mit zittrigen Händen öffnete er sie. Ein Grundstücksnachweis. Fünfhundert Quadratmeter am Bodenseeufer, drei Kilometer vom Dorf entfernt. Eigentümer: Friedrich Weber. Datum: 1997.
„Paul, sehen Sie mal!“, rief Tom.
Der Alte pfiff durch die Zähne.
„Na so was! Dir hat er’s anvertraut.“
„Wussten Sie davon?“
„Natürlich. Friedrich hat es 1997 von seiner Ersparnis gekauft. Träumte von einem Haus für die Familie. Aber die Verwandten dachten nur ans Geld.“
„Warum hat er nichts gesagt?“
„Er hat es Olaf gezeigt. Der lachte nur: ‚Wozu der Schrott?‘ Die anderen winkten auch ab.“
Tom faltete die Papiere sorgfältig zusammen und blickte auf den See.
„Jetzt gehört mir Land am Wasser.“
„Friedrich fuhr oft hin. Sagte, dort sei Frieden, der See singe, Möwen schrien. Träumte von einer Sauna.“
Am Steg erschien Maria, die Augen noch rot vom Weinen.
„Tom, stimmt es, dass du nur das Boot bekommen hast?“
„Nicht nur.“ Er zeigte die Papiere. „Ein Grundstück.“
Sie seufzte.
„Davon hat er in seinen letzten Tagen gesprochen! ‚Tom wird verstehen, warum ich das Land wollte.‘“
„Hat er noch etwas gesagt?“
„Er meinte, es gehöre dem, der es wertschätzt – nicht dem, der es für ein Butterbrot verkauft.“
Am Abend erzählte Tom Olaf von seinem Fund. Der trank Kaffee auf der Veranda seines großen Hauses.
„Onkel Olaf, ich habe im Boot Papiere über ein Grundstück gefunden.“
Olaf verschluckte sich, seine Augen verengten sich.
„Welche Papiere?“
Tom zeigte den Nachweis. Olafs Gesicht lief rot an.
„Fälschung!“, bellte er. „Opa war im Alter völlig durcheinander. Woher hätte er Geld für Land nehmen sollen?“
„Die Dokumente sind echt. Stempel, Unterschriften – alles da.“
„Ich sage Fälschung! Falls doch echt, gibt’s kein Testament dazu. Dann gehört’s mir.“
Gisela lugte aus dem Haus.
„Was ist los?“
„Der Neffe will reich werden, hat irgendwelche Papiere aufgetan!“
„Ich will keinen Streit“, sagte Tom ruhig. „Ich teile es nur mit.“
„Pass auf“, Olaf trat näher, „fahr zurück in die Stadt und vergiss die Papiere. Sonst sorge ich dafür, dass du nicht mal das Boot behältst.“
Tom ging. Hinter ihm zischte Gisela:
„Hättest das Boot gleich verkaufen sollen, wie ich gesagt habe!“
Am nächsten Tag sprach ihn ein Mann im teuren Anzug an.
„Herr Meier“, stellte er sich vor. „Ich höre, Sie besitzen Land am See?“
„Woher wissen Sie das?“
„Olaf hat es erwähnt. Ich kaufe Flächen für Bebauung. Biete dreihunderttausend Euro, bar.“
Tom stockte der Atem. Mehr als sein Drei-Jahres-Gehalt.
„Ich überlege es mir.“
„Nicht zu lange. So ein Angebot kommt nicht wieder.“
Abends traf Tom Maria.
„Man hat mir dreihunderttausend für das Grundstück geboten.“
Sie nickte.
„Der Meier hat schon halb das Dorf aufgekauft. Will Villen bauen.“
„Hätte Opa verkauft?“
„Niemals. Friedrich sagte: ‚Das Land ist für die Seele, nicht für Profit.‘ Er träumte von einem Haus, wo die Familie zusammenkommt.“
„Ich habe keine Familie.“
„Doch. Und deine Kinder werden fragen: Wo ist Opas Land? Was antwortest du ihnen?“
Tom schwieg. Sie hatte recht.
Ein paar Tage später erschien Olaf mit Papieren.
„Hier“, warf er sie auf den Tisch. „Klage beim Gericht. Ich bestreite deine Rechte.“
Tom überflog die Dokumente. Juristischer Kauderwelsch, doch der Kern war klar.
„Auf welcher Grundlage?“
„Opa war nicht bei Sinnen. Es gibt Zeugen. Und wo ist der Beweis, dass er selbst kaufte? Vielleicht wurde er betrogen.“
„Das ist gelogen.“
„Gelogen oder nicht – das Gericht entscheidet. Bis dahin ist das Land gesperrt. Kein Bauen, kein Verkaufen.“
Nach Olafs Abgang stieg Tom in die „Traum“ und ruderte zum Grundstück. Nach einer Stunde war er da. Ein idyllisches Ufer – ruhiges Wasser, von Kiefern umgeben, ein Sandstrand.
Er stellte sich Opa vor, wie er allein hierherkam und von einem Haus für die Familie träumte. Die Familie sah in ihm nur eine Geldquelle.
„Hier fand Friedrich Frieden“, sagte eine Stimme. Paul Wiener kam mit einem anderen Boot.
„Wie haben Sie mich gefunden?“
„Sah, wohin du ruderst. Olaf klagt also?“
„Ja. Behauptet, Opa war nicht zurechnungsfähig.“
Paul lachte.
„FriedrichTom musste lächeln, als er die Wellen plätschern hörte – nun war es sein Erbe, und er würde es so bewahren, wie Opa es sich erträumt hatte.