Fünfzehn Jahre Ehe – und alles umsonst. Lena hatte einst geglaubt, sie könne ihren Mann ändern, ihn aus dem Sumpf der Trunksucht, Faulheit und Lügen ziehen. Doch jetzt, wenn sie ihn ansah, fühlte sie nichts mehr – keinen Schmerz, keine Liebe. Nur Müdigkeit. Es hatte an einem ganz normalen Abend begonnen, wie so viele zuvor…
Markus kam betrunken nach Hause. Nicht nur angeheitert, sondern sturzbesoffen. Er fiel über den Tisch, schlug mit der Faust auf die Platte, brüllte, sie sei kalt, emotionslos, grau. Dann gestand er, dass er zu einer anderen gehen würde – zu Sabine vom Kiosk. Die verstehe ihn, anders als Lena. Dann schlief er einfach ein, schnarchend am Tisch.
Lena stand auf, ging ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht, blickte in den Spiegel. Neununddreißig Jahre alt. In ihren Augen war Leere. Keine Wut, kein Groll. Nur Stille. Und in dieser Nacht entschied sie: Es reicht.
Am nächsten Morgen, als Markus mit einem Brummschädel aufwachte und sich in die Küche schleppte, wartete sie bereits mit einem Blatt Papier in der Hand. Es war ein offizielles Dokument – die Scheidungsklage.
„Was soll das?“, knurrte er und rieb sich die Augen.
„Genau das, worüber du gestern geredet hast. Das Leben mit mir ist schwer, ich nerve dich. Also ist es nur fair. Ich reiche die Scheidung ein.“
„Hast du keine Angst, dass ich gehe?“, stichelte er.
„Nein. Angst haben bin ich müde. Geh, wenn du willst. Aber die Wohnung teilen wir ordentlich. Oder du bleibst – unter einer Bedingung.“
„Welcher denn?“
„Mein Bruder Stefan zieht bis zum Gerichtstermin ein. Er zahlt Miete für das Zimmer, die Hälfte der Nebenkosten überweise ich dir.“
Markus fuhr hoch. Er drohte, die Wohnung für sich zu beanspruchen, schob ihr Schulden zu. Wenn sie Freiheit wolle, solle sie doch gehen. Er bleibe.
Lena schwieg. Sie zog zu ihrer Mutter, gab Stefan die Schlüssel. Drei Tage später fuhr sie in den Süden – in ein kleines Dorf bei Sylt. Dort fand sie ein winziges Haus am Meer, von dem sie ihr ganzes Leben geträumt hatte. Bald würde sie es kaufen.
Markus glaubte es nicht. Er wartete, dass Lena zurückkäme. Dass alles wie früher würde. Doch drei Wochen vergingen. Dann ein Monat. Dann kam ein Brief vom Notar: Vermögensaufteilung, Schätzung, Anteile. Alles offiziell. Und Lena war fort.
Er versuchte es noch – flehte, rief ihre Mutter an, schrieb Stefan. Vergeblich. Lena war frei. Und während sie am Strand lag und ein Buch las, spürte sie endlich: Sie lebte.
Eines Tages kam eine Fremde, weinend, auf ihr Handtuch gelaufen.
„Können Sie mir raten? Mein Mann ist wieder rückfällig geworden. Ich weiß nicht weiter…“
Lena wollte etwas sagen. Doch sie schwieg. Stand auf, schüttelte den Sand ab und erwiderte:
„Entschuldigen Sie. Dafür bin ich nicht zuständig.“
Und dann ging sie weiter – der Sonne entgegen, ihrem neuen Leben.
Manchmal ist es besser, loszulassen, als sich an etwas festzuhalten, das längst zerbrochen ist.