Du bist gegangen – und da begann mein Leben
Lena heiratete früh – aus Liebe. Sie war dreiundzwanzig, er dreißig. Paul erschien ihr erwachsen, verlässlich, ruhig. Er sagte die richtigen Dinge, ging mit ihr ins Theater, lud sie auf Wein ein und versicherte, er träume von Familie und Kindern.
Zuerst lief alles gut. Sie mieteten eine Wohnung, sie kündigte ihren ungeliebten Job und kümmerte sich um den Haushalt. Paul hatte nichts dagegen. Er verdiente das Geld, sie kochte. Eigentlich – alles wie es sein sollte. Doch Monate vergingen, und Lena wurde nicht schwanger. Dann Jahre. Zuerst kam die Sorge. Dann die Angst. Dann die Vorwürfe.
„Wahrscheinlich hast du in deiner Jugend etwas falsch gemacht“, warf die Schwiegermutter eines Tages ein. „Mein Sohn ist kerngesund, du bist einfach keine richtige Frau.“
Lena schwieg. Nachts weinte sie, dachte über alle möglichen Gründe nach, suchte im Spiegel die Schuldige. Sie ging zu Ärzten, ließ sich testen, bekam Spritzen, nahm Tabletten. Paul winkte nur ab.
„Ich will nicht durch diese Praxen rennen. Alles ist in Ordnung. Du gibst dir einfach nicht genug Mühe.“
Als sie im fünften Ehejahr eine künstliche Befruchtung vorschlug, explodierte er:
„Soll ich etwa ein Kind im Reagenzglas zeugen? Missgeburten produzieren?“
Nach diesem Streit ging er. Einfach so. Sagte: „Eine Frau ohne Kind ist keine Familie.“ Und zog zu einer Jüngeren. Ein halbes Jahr später erfuhr Lena, dass seine neue Freundin schwanger war. Da lag sie selbst im Krankenhaus – man hatte ihr die Gebärmutter entfernt. Die letzte Chance, die letzten Hoffnungen.
Nach der Operation sprach sie nicht. Nicht mal, als ihre Mutter anrief – sie ging nicht ran. Sie dachte, es gäbe keinen Grund mehr zu leben. Alles in ihr schien tot.
Aber ihre Mutter kam, ohne eine Antwort abzuwarten. Setzte sich neben sie. Sagte:
„Du bist keine Ware mit Mängeln. Du bist ein Mensch. Und du wirst glücklich sein. Anders, aber du wirst es sein.“
Lena zog in eine andere Stadt. Fing bei null an. Mietete eine kleine Wohnung, fand einen Job, holte sich eine Katze. Und lernte, ohne Angst zu leben. Ohne Erwartungen. Ohne Schmerz. Einfach – zu leben.
Und dann kam Viktor. Groß, tapsig, mit freundlichen Augen. Er machte keine großen Versprechungen. Blieb einfach eines Tages nach dem Kaffee, dann nach dem Mittagessen, dann für immer.
Als sie sagte:
„Ich kann keine Kinder bekommen.“
Zuckte er nur mit den Schultern:
„Dann haben wir eben ein Haus ohne Kinder. Oder mit den Kindern anderer Leute. Oder mit wem auch immer – Hauptsache, du bist da.“
Ein Jahr später heirateten sie. Nahmen einen Kredit auf, holten sich einen Hund, und dann… geschah ein Wunder. Die Ärzte verstanden es selbst nicht. Aber sie wurde schwanger. Im achten Monat weinte Viktor, als er auf dem Ultraschall ihre Hand hielt. Eine Tochter. Sie bekamen eine Tochter.
Als Lena Paul zufällig im Supermarkt traf, war er grau, gebeugt, mit einem Bierbauch. Er fragte:
„Und du… bist glücklich?“
Sie lächelte:
„Sehr.“
Er stand da, wusste nichts zu sagen. Lena drehte sich um und ging. Denn endlich hatte sie verstanden: Alles, was passiert war, musste so sein. Damit sie ihr wahres Ich erkannte. Damit ihre Tochter geboren wurde. Und damit ihr richtiges Leben begann.