Du gingst – und mein Leben begann.

Lena heiratete früh – aus Liebe. Sie war dreiundzwanzig, er dreißig. Stefan erschien ihr erwachsen, verlässlich, ruhig. Er sagte die richtigen Worte, ging mit ihr ins Theater, lud sie auf Wein ein und versicherte ihr, er träume von Familie und Kindern.

Zuerst verlief alles gut. Sie mieteten eine Wohnung, sie kündigte ihren unbefriedigenden Job und kümmerte sich um den Haushalt. Stefan hatte nichts dagegen. Er verdiente das Geld, sie kochte. Alles schien in Ordnung. Doch Monate vergingen, und Lena wurde nicht schwanger. Dann Jahre. Zuerst kam die Sorge. Dann die Angst. Dann die Vorwürfe.

„Wahrscheinlich hast du in deiner Jugend etwas falsch gemacht“, warf ihre Schwiegermutter ihr eines Tages vor. „Meinem Sohn fehlt nichts. Du bist keine richtige Frau.“

Lena schwieg. Sie weinte nachts, durchdachte alle möglichen Gründe, suchte die Schuldige im Spiegel. Sie ging zu Ärzten, ließ Tests machen, bekam Spritzen, nahm Tabletten. Stefan winkte nur ab.

„Ich will nicht durch diese Praxisrennen. Bei uns ist alles in Ordnung. Du gibst dir einfach keine Mühe.“

Als sie im fünften Ehejahr IVF vorschlug, explodierte er:

„Soll ich mir ein Kind aus dem Reagenzglas holen? Missgeburten zeugen?“

Nach diesem Streit ging er. Einfach so. Sagte: „Eine Frau ohne Kind ist keine Familie.“ Und zog zu einer Jüngeren. Ein halbes Jahr später erfuhr Lena, dass seine Neue schwanger war. Sie selbst lag gerade im Krankenhaus – man hatte ihr alles entfernt. Die letzte Chance, die letzten Hoffnungen.

Nach der Operation sprach sie nicht. Nahm nicht mal den Hörer ab, wenn ihre Mutter anrief. Sie dachte, es gäbe keinen Grund mehr zu leben. Alles in ihr schien tot.

Doch ihre Mutter kam unangekündigt. Setzte sich zu ihr. Sagte:

„Du bist kein fehlerhaftes Produkt. Du bist ein Mensch. Und du wirst glücklich sein. Anders, aber glücklich.“

Lena zog in eine andere Stadt. Fing bei Null an. Mietete eine kleine Wohnung, fand einen Job, holte sich eine Katze. Und lernte, ohne Angst zu leben. Ohne Erwartungen. Ohne Schmerz. Einfach zu leben.

Dann kam Viktor. Groß, tollpatschig, mit warmen Augen. Er machte keine großen Versprechungen. Blieb einfach eines Tages nach dem Kaffee da. Dann nach dem Essen. Dann für immer.

Als sie sagte:

„Ich kann keine Kinder bekommen…“,

zuckte er nur mit den Schultern:

„Dann haben wir eben ein Haus ohne Kinder. Oder mit fremden Kindern. Oder mit wem auch immer – Hauptsache, du bist da.“

Ein Jahr später heirateten sie. Nahmen einen Kredit auf, holten sich einen Hund, und dann… geschah ein Wunder. Selbst die Ärzte verstanden es nicht. Aber sie wurde schwanger. Im achten Monat weinte Viktor, als er bei der Ultraschalluntersuchung ihre Hand hielt. Ein Mädchen. Sie bekamen eine Tochter.

Als Lena Stefan zufällig im Supermarkt traf, war er grau, gebeugt, mit einem Bierbauch. Er fragte:

„Und du… bist glücklich?“

Sie lächelte:

„Sehr.“

Er stand da, wusste nichts mehr zu sagen. Doch Lena drehte sich um und ging. Denn endlich verstand sie: Alles, was passiert war, musste so kommen. Damit sie ihr wahres Ich fand. Damit ihre Tochter geboren wurde. Und damit ihr echtes Leben begann.

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Du gingst – und mein Leben begann.
Eine stumme Liebe: Die Beichte einer Frau, die einen verheirateten Mann liebt