Ich bin die Geliebte: Verliere ich alles, wenn ich gehe?

Ich bin die Geliebte. Wenn ich gehe, verliere ich alles: mein Kind, das Geld, den Luxus…
Aber ich bin nicht glücklich.

Ich habe die Provinz immer gehasst. Enge Straßen, fünf Läden fürs ganze Viertel, eine Stille, die abends in den Ohren klingelt. Und im Winter – als wäre die Welt ausgestorben. Hätte mich damals jemand nach meinen Träumen gefragt, hätte ich ohne Zögern geantwortet: »Nur eins – weg. Für immer.«

Ich war keine besondere Schönheit. Aber da war immer Jens – mein Klassenkamerad, der mich seit der Kindheit vergötterte. Er ertrug meine Launen, meine schroffen Worte, meine Kälte. Selbst wenn ich im Sommer zu meinem Vater aufs Land fuhr, stand er bei meiner Rückkehr wieder vor meinem Haus, mit demselben treuen Blick.

Mein Bruder und ich waren noch in der Schule, mein Vater hatte seine Arbeit verloren, meine Mutter verdiente nur Kleingeld. Wenn wir uns keinen Friseur leisten konnten, nahm ich die Schere und schnitt meinen Brüdern die Haare selbst. Irgendwann merkte ich – ich war wirklich nicht schlecht darin.

Eines Nachts, nach dem Abiball, in der provinziellen Stille, wusste ich plötzlich: Dieses Können könnte mich hier rausholen. Ich packte meine Tasche und zog nach München. Ich begann eine Ausbildung zur Friseurin.

Schon bald bemerkte mein Lehrer mein Talent und bot mir einen Job in seinem Salon an. Durch die Kundinnen lernte ich, mich zu pflegen, fand meinen Stil, mein Make-up. Zuerst saß ich in kleinen Cafés, dann wagte ich mich in edle Lokale – ich mochte es, wie die Leute mich ansahen. Als würde ich jemand.

Und dann traf ich ihn in einem dieser Lokale.

Er hob meine Handtasche auf, die ich fallen gelassen hatte. Ich erinnerte mich, dass er am Nebentisch gesessen hatte, mit gerunzelter Stirn, in Gedanken versunken. Später standen wir nebeneinander auf der Rolltreppe. Er fragte, wohin ich wollte, und – ich weiß nicht wie – plötzlich saß ich in seinem Auto. Ein luxuriöser SUV, nagelneu. Unterwegs erzählte ich von meinem Job, und er ließ mich vor meiner Mietwohnung aussteigen.

Einen Monat später traute ich meinen Augen nicht, als er im Stuhl meines Salons saß. Er hatte mich gesucht. Gefunden. Und damit begann alles.

Er war 35 Jahre älter als ich. Doch er sah mich an wie eine Göttin. Er führte mich in die besten Restaurants, auf Kurzurlaube, wir wohnten in Luxushotels und reisten an Orte, von denen andere nur träumten. Er sagte, er sei verliebt. Ich – ein Mädchen aus der Kleinstadt – lebte plötzlich im Märchen. Und wollte nie mehr zurück.

Natürlich war er verheiratet. Doch er beteuerte: zwischen ihnen sei schon lange alles tot. Kinder? Nein, nie gewollt. Und in diesem Moment wusste ich – das war meine Chance.

Ich war jung. Aber war Jugend ein Hindernis für Mutterschaft? Ich wusste: Wenn wir ein Kind hätten, würde er alles für mich sichern. Und ich würde ihn für immer binden. Seine Zärtlichkeiten waren mir mittlerweile vertraut, fast angenehm.

Ich wurde fast sofort schwanger. Und lebte wie im Paradies. Aufmerksamkeit, Geschenke, Fürsorge… Als unsere Tochter zur Welt kam, strahlte er wie die Sonne. Behütete sie wie ein zerbrechliches Glas, überschüttete sie mit Spielzeug, Kleidung, Schmuck.

Lotte wuchs auf wie eine Prinzessin. Sie hatte ein Kindermädchen, einen Stundenplan, Privatunterricht. Und ich – ich rannte von Schönheitsbehandlung zu Schönheitsbehandlung, gewöhnte mich an mein neues Ich. Ich wurde launisch, grob, schrie Kellnerinnen oder Nageldesignerinnen an. Ich war nicht mehr das Provinzmädchen. Ich war die Mutter seines Kindes. Und ich wollte mehr.

Er kaufte mir einen Salon, machte mich zur Geschäftsführerin. Schenkte mir ein Auto, eine geräumige Wohnung. Doch der Status der Geliebten blieb. Und das ließ mich innerlich kochen. Ich wurde wütend. Und er – er begann, mich zu kontrollieren. Verbot mir, allein auszugehen. Aus Angst, ich könnte gehen.

Alles war luxuriös… doch mir fehlte das Wichtigste – Freiheit. Die Freiheit, die mir Jens einst geschenkt hatte.

Und dann sah ich ihn eines Tages im Einkaufszentrum. Jens. Er ging durch die Gänge, eine schwangere Frau an seiner Seite. In einfachen Jacken, mit warmen Blicken betrachteten sie die Kinderauslagen. Er bemerkte mich nicht nur nicht. Er sah durch mich hindurch, als wäre ich Luft. Mit Verachtung. Mit Ekel. Und ging weiter, während er sie auf die Schläfe küsste. Ich stand da wie ein abgefallenes Blatt, losgerissen vom Boden, der ihm einst Kraft gab.

Jetzt bin ich an einem Scheideweg.

Wenn ich gehe – verliere ich alles. Lotte. Das Geld. Den Lebensstandard. Seine Fürsorge. Wenn ich bleibe – bleibe ich für immer jemandes Geliebte. Nicht einmal Ehefrau. Nur ein bequemer Schatten.

Ich habe Angst. Ich werde älter. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder lieben kann.

Ich habe Angst, weil Lotte nachts weint. Weil die Kinder in der Schule sie hänseln – »dein Opa holt dich ab«. Und ich werde ihre Fragen nicht beantworten können: »Mama, warum hast du das alles getan?«

Immer häufiger wache ich auf und wünsche mich zurück – in unser kleines Haus. Frei zu sein. Einfach zu leben. Aber mit Taschen voller Geld.

Dann nehme ich meinen Kaffee, blicke in den Spiegel, greife zum Handy – und rufe an. Meine Liste: Friseur, Maniküre, Massage, Shopping… Ich halte die Fassade, nur um nicht zu hören, wie es innen zusammenbricht.

Wie lange halte ich das noch aus? Ich weiß es nicht.

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