Also, das ist mir vor ein paar Jahren passiert, aber ich erinnere mich an alles, als wäre es gestern gewesen. Mein Name ist Lukas, und damals war ich Student im letzten Semester in München, kurz davor, meine erste große Liebe – die wundervolle Johanna – zu heiraten. Ihre Eltern fanden mich perfekt als Schwiegersohn, und ich war im siebten Himmel. Johanna war einfach strahlend – schön, mit einem Lächeln, das alle verzauberte. Charismatisch trifft es wohl am besten! Fröhlich, charmant, sie ging durchs Leben wie ein Sonnenstrahl, und niemand konnte ihr widerstehen. Und dann sang sie noch – ihre Stimme war wie aus einer anderen Welt, und ich, ein ganz normaler Typ, fühlte mich wie der glücklichste Mensch, so eine Frau an meiner Seite zu haben.
Manchmal dachte ich mir, ihr Charme sei nur Fassade, dass sie manchmal spielte, um ihren Willen durchzusetzen. Aber ich schob diese Gedanken beiseite und redete mir ein: Nach der Hochzeit wird alles besser, ich gewöhne sie langsam an ein ruhigeres Leben, und dann werden wir glücklich.
Kurz vor der Hochzeit fuhr ich in mein Heimatdorf bei Nürnberg, um mit meinen Eltern die letzten Hochzeitsdetails zu besprechen. Johanna wollte nicht mitkommen: „Ich habe Prüfungen, Lukas, und was soll ich da schon? Ihr regelt das schon unter euch.“ Ich zuckte mit den Schultern und machte mich allein auf den Weg. Drei Tage blieb ich dort, dann stieg ich in den Zug zurück – ich vermisste sie so sehr, dass mein Herz wehtat.
**Das Gespräch, das alles änderte**
Spätabends, als der Zug sich München näherte, rief ich Johanna an. Ich wollte ihr sagen, dass ich bald da wäre, und andeuten, wie schön es wäre, wenn sie mich am Bahnhof abholen könnte – einfach, um sich nach der Trennung wiederzusehen. Doch ihre Stimme ging im Lärm und der Musik unter – sie war eindeutig in einer Bar, gut gelaunt und angeheitert. „Hey, Lukas! Ich bin grad mit Freunden unterwegs, langweil dich nicht!“, zwitscherte sie. Ich fragte, ob sie nicht zum Bahnhof kommen wollte – ich hatte Taschen voller Mitbringsel von meinen Eltern dabei: selbstgemachte Marmelade, Wurst vom Dorfmetzger. Nicht, dass ich erwartete, dass sie sie schleppen würde, ich wollte sie einfach nur sehen.
Doch Johanna lachte nur: „Ernsthaft jetzt, Lukas? Nimm dir halt ein Taxi und mach kein Drama, hier ist die Party voll im Gange! Meine letzten freien Tage als Single, verstehst du?“ Dann erzählte sie, sie hätte ein paar Typen kennengelernt, die sie gebeten hätten, etwas zu singen. „Die holen schon eine Gitarre, so coole Jungs, ich kann sie nicht hängen lassen!“, plapperte sie.
Ich erstarrte. „Johanna, ich dachte, du würdest mich vermissen…“, brachte ich stockend heraus. Sie schnaubte: „Ach komm, jetzt stell dich nicht an! Geh in den Bordbistro, hol dir ein Bier und entspann dich!“ – und knallte einfach auf. Ich stand da, starrte auf mein Handy und spürte, wie mir die Tränen kamen. Ich malte mir aus, wie ich allein am Bahnsteig stand, von aufdringlichen Taxifahrern umringt, wie ich in die leere Wohnung zurückkehrte, während sie irgendwo fremden Typen vorsang.
Im Abteil saß nur ein alter Mann mit zerfurchtem Gesicht und freundlichen Augen. Er sah zu, wie ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten, dann fragte er leise: „Was ist los, Junge?“ Ich erzählte ihm alles – von Johanna, ihren Worten, meinen Zweifeln. Er hörte zu und fragte dann: „Und mit so einer Frau willst du dein Leben verbringen?“
**Die Rettung vom Opa**
Am Bahnhof erwarteten ihn seine Enkel – zwei kräftige Jungs mit einem alten Mercedes. Der Alte, der sich als Heinrich Müller vorstellte, befahl ihnen: „Helft dem Jungen, bringt ihn nach Hause, tragt seine Taschen.“ Sie brachten mich nicht nur bis vor die Tür, sie schleppten alles in den vierten Stock und warteten sogar im dunklen Treppenhaus, bis ich die Wohnungstür aufschloss – in unserem Haus kam es öfter vor, dass Leute aus dunklen Ecken auftauchten.
Dieser Abend war der Wendepunkt. Am nächsten Morgen, während Johanna nach ihrer Feierei noch schlief, packte ich meine Sachen und ging. Hochzeit? Die würde nicht stattfinden. Weder ihre Überredungsversuche noch die Anrufe ihrer Eltern konnten mich umstimmen. Die Worte des alten Mannes im Zug hallten in meinem Kopf: Ich hatte begriffen, dass Johanna nicht diejenige war, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte.
Heute bereue ich nichts. Ich habe eine Frau – bodenständig, verlässlich, keine Sängerin oder Bühnenstar. Und ich bin dem Schicksal dankbar für diesen Zug und für Heinrich Müller – er hat mich vor einem Fehler bewahrt, der mich hätte zerstören können.