Meine Schwiegermutter spielt mit uns wie mit Schachfiguren – mal hätschelt sie uns, mal wirft sie uns raus. Doch wir werden nie wieder in ihr Haus zurückkehren. Niemals.
Als ich Andreas heiratete, hätte ich nie gedacht, dass die größte Bewährungsprobe unserer Ehe nicht Armut, Alltagsstress oder Streit zwischen uns sein würde. Nein. Unser Familienunglück wurde… seine Mutter. Eine Frau, die eigentlich Rückhalt hätte sein sollen, die Großmutter unseres zukünftigen Kindes und einfach eine Vertraute. Stattdessen wurde sie zum Grund für zwei Umzüge, Streitereien, Vorwürfe, Tränen und ein festes Versprechen: Niemals wieder betreten wir ihr Haus.
Andreas und ich waren seit jeher selbstständig. Ich zog nach der Schule ins Studentenwohnheim, später in eine WG und schließlich in eine eigene Wohnung. Er lebte nach dem Wehrdienst ebenfalls allein. Wir besaßen zwar keine Immobilie, aber wir kamen klar: Miete pünktlich bezahlt, sogar etwas gespart.
Doch als sein Vater starb, verlor seine Mutter – Waltraud Schmidt – den Halt. Ständiges Wehklagen, Verzweiflung, Tränen. Natürlich hatten wir Mitgefühl – ein schwerer Verlust. Also lud sie uns ein, bei ihr zu wohnen.
*“Ich fühl mich so allein, Kinder… Die Wände erdrücken mich. Das Haus ist leer. Und ihr spart euch die Miete, könnt schneller was ansparen. Wir werden uns nicht in die Quere kommen. Und ich verspreche – ich werde nicht jammern.“*
Zögerlich stimmten wir zu. Zusammenleben zu dritt war kein Zuckerschlecken, dazu noch unpraktisch: Weit zur Arbeit, zu viele Sachen, neue Möbel. Wir schleppten alles zu ihr, rückten zusammen, arrangierten uns.
Die ersten zwei Monate waren erträglich. Waltraud wurde lebendiger, scherzte, backte Kuchen, lächelte. Ich dachte schon, es würde harmonisch bleiben. Sie bot sogar selbst an, wir könnten bleiben, bis wir eine Wohnung kaufen.
Doch im dritten Monat begann der Albtraum.
*“Wer stellt die Tasse hierhin? Das mag ich nicht!“*
*“Ihr kommt zu spät, ich will schlafen! Macht Lärm!“*
*“Ihr habt mich darum gebeten, nicht umgekehrt!“*
Nach einem Monat waren wir „unerwünscht“. Wir packten schweigend unsere Sachen und zogen aus. Ohne Streit, nur mit Enttäuschung. Nie wieder, dachten wir.
Doch es wiederholte sich. Ein halbes Jahr später wurde Waltraud ins Krankenhaus eingeliefert – Gelenkprobleme. Wir besuchten sie, unterstützten sie. Nach der Entlassung jammerte sie wieder: Sie könne nicht kochen, nicht putzen, sei hilflos und allein. Andreas fuhr oft hin, und sie drängte: *“Zieht wieder zu mir, wir machen es gemütlich, ordentlich, warm.“*
Ich wehrte mich. Doch Andreas überredete mich:
*“Sie hat geschworen, alles wird anders. Damals war es Stress, Nerven… Jetzt ist alles neu.“*
Also nochmal: Kartons, Umzug, Einrichten. Der zweite Versuch.
Vier Monate hielt Waltraud durch. Dann ging es wieder los. Erst *“du wischst den Tisch falsch“*, dann *“die falsche Pfanne“*, schließlich *“ihr stört mich, verschwindet!“* Wieder. Als hätte sie uns einfach losgelassen. Ich schrie nicht – stand nur da wie erstarrt. Andreas’ Blick war wütend, in mir nur Leere. Wieder zogen wir aus.
Diesmal – für immer. Fast ein Jahr redete ich nicht mit Waltraud. Andreas sprach nur noch das Nötigste mit ihr.
Doch dann verplapperte er sich – ich war schwanger.
Keinen Tag später rief Waltraud an:
*“Kommt zu mir! Das Baby ist mein Fleisch und Blut! Ich helfe, ich vermisse euch, alles wird anders!“*
Doch wir hatten schon entschieden: Wir nehmen einen Kredit auf. Die Erstzahlung war da. Eine Mietwohnung ist kein Urteil. Aber die dritte Runde mit ihr? Dafür fehlten mir die Nerven.
*“Andreas“,* sagte ich, *“ich werde nicht mit einem Kind zwischen ihren Launen hin und her ziehen. Sie ist unberechenbar. Hat keine Grenzen. Das riskiere ich nicht noch einmal.“*
Er nickte. Und widersprach zum ersten Mal nicht. Denn er verstand: Das war das Ende.
Waltraud kann leben, wie sie will. Heulen, in Ohnmacht fallen, die Verwandtschaft anrufen und behaupten, wir hätten sie im Stich gelassen. Wir wählten Stabilität, Sicherheit und Respekt. Und unser Kind soll in einem Haus aufwachsen, in dem niemand es mitten in der Nacht wie alten Plunder vor die Tür setzt.
Nie wieder betreten wir ihr Haus. Selbst wenn sie auf Knien fleht.
**Man lernt: Familie kann Kraft geben – oder sie dir rauben. Irgendwann muss man sich selbst schützen, auch wenn es wehtut.**