Als die Schwiegermutter den Abendplan durchkreuzte…

Als die Schwiegermutter die Pläne für den Abend durchkreuzte…

Gerd kam von der Arbeit nach Hause, die Füße schwer vor Müdigkeit. Er konnte nur an eines denken: endlich zu Hause sein, wo seine geliebte Frau Lieselotte und das versprochene Abendessen auf ihn warteten – Bratkartoffeln mit eingelegtem Hering. Allein der Gedanke daran ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und danach das Sofa, der Fernseher, vielleicht ein leichter Film. Vielleicht würde Lieselotte sogar eine Flasche Wein holen, sich zu ihm gesellen und sie würden zusammen etwas Romantisches schauen. Es war Freitag, da durfte man sich doch entspannen! Solche Abende waren selten, aber genau davon träumte Gerd an diesem Tag. Schon tastete er nach dem Schlüssel vor der Tür ihres Hauses in Freiburg, als eine Stimme all seine Pläne durchkreuzte.

„Die Schwiegermutter!“, dachte Gerd verärgert. Sein Herz sank. Nein, er hatte nichts gegen Gertrud Müller. Sie war eine energiegeladene Frau, trotz ihrer 82 Jahre, und hatte ihnen immer mit den Kindern geholfen, als diese noch klein waren. Aber ihre endlosen Geschichten aus der Jugend, die er in- und auswendig kannte, gingen ihm auf die Nerven. Jetzt, wo ihre Söhne und Töchter erwachsen waren und ausgezogen, kam Gertrud immer häufiger zu Besuch. Und jeder ihrer Besuche bedeutete das Ende jeglicher Privatsphäre.

Gerd seufzte und legte das Ohr an die Tür. Gertrud erzählte Lieselotte etwas lautstark, während diese höflich zustimmte. „Leb wohl, romantischer Abend“, dachte er bitter. Die Schwiegermutter wohnte im Nachbarhaus, und ihre Besuche wurden immer regelmäßiger. Lieselotte würde natürlich nie auf die Idee kommen, ihre Mutter ins Altersheim zu schicken – das war undenkbar. Aber Gerd fragte sich immer öfter: Was tun, wenn Gertrud einmal richtig alt sein würde? Alle würden sie verurteilen, wenn sie sie ins Heim gäben. Doch zusammenleben? Das wäre eine Katastrophe!

Er drehte den Schlüssel im Schloss. „Ach, da ist ja Gerd!“, rief die Schwiegermutter freudig und begann sofort zu erzählen, wie sie in ihrer Jugend zwei Jobs hatte und trotzdem drei Kinder großzog. „Und ich war nie so müde wie du, Gerd! Lieselotte, fütterst du ihn nicht richtig? Ich habe heute Morgen einen Auflauf gemacht – zum Anbeißen! Ach, wenn wir doch zusammenwohnten, ich würde euch mit Kohlrouladen und Borsch verwöhnen!“

Gerd zwang sich zu einem Lächeln: „Danke, Gertrud, das klingt verlockend.“ Lieselotte sah ihn verwundert an, dann blickte sie zu ihrer Mutter. „Mama, wolltest du nicht nach Hause? Es wird dunkel, Gerd begleitet dich, und ich mache inzwischen das Essen warm“, sagte sie und flüsterte ihm zu: „Geh schon, das geht schneller.“

Gerd nahm die Schwiegermutter unter den Arm und führte sie heim. Unterwegs versprach Gertrud, morgen Krautkuchen vorbeizubringen. Gerd mochte keine Krautkuchen, aber er widersprach nicht – die Schwiegermutter war überzeugt, er würde sie eines Tages lieben. Vor ihrer Tür begann sie erneut von ihrer Jugend zu erzählen, und er musste noch eine weitere Geschichte über sich ergehen lassen, bevor er gehen konnte.

Als Gerd die Treppe hinunterstieg, freute er sich schon auf das Abendessen, doch im Erdgeschoss rief ihn ein Mann an. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. „Gerd? Bist du das?“, fragte der Mann. Gerd musterte ihn – es war Friedrich, ein ehemaliger Klassenkamerad von Lieselotte. Sie hatten sich vor Jahren nur flüchtig getroffen. „Ich war bei meiner Mutter, und was machst du hier?“, fragte Friedrich, und sein Gesicht wurde plötzlich düster.

„Ich habe die Schwiegermutter heimgebracht“, antwortete Gerd. „Lieselotte ist daheim und wärmt das Essen.“ Er wollte schnell gehen, aber Friedrich wollte unbedingt reden. „Sag mal, lebt deine Schwiegermutter allein?“, fragte er. Gerd nickte: „Ja, bisher kommt sie klar. Sie hat noch ordentlich Energie!“

Friedrich seufzte: „Meine Mutter, Helene Schmidt, ist dagegen ganz vereinsamt. Man weiß nicht mehr, was sie will. Wir besuchen sie, meine Tochter schaut vorbei, ich habe sogar eine Pflegerin engagiert. Doch sie ist mit allem unzufrieden! Sie geht nicht mehr spazieren, nörgelt ständig und hat schlechte Laune. Ich habe ihr eine Kur gekauft – sie will nicht! Sagt, sie sitzt lieber allein in der Wohnung, als mit anderen Spaß zu haben. Ist deine Schwiegermutter nicht so?“

Gerd zuckte mit den Schultern: „Na ja, unsere kommt auch gern vorbei. Aber sie ist noch aktiv.“ Friedrich hellte plötzlich auf: „Weißt du was? Unsere Mütter waren damals Nachbarinnen, als Lieselotte und ich in die Schule gingen. Vielleicht sollten wir sie bekanntmachen? Vielleicht hätten sie etwas zu bereden?“

Einige Tage später arrangierte Friedrich ein Treffen. Gertrud willigte freudig ein, Helene zu besuchen. Sie hatte seit langem keine Freundinnen mehr in ihrem Alter, und die Aussicht auf Gesellschaft begeisterte sie. Die beiden Frauen fanden schnell gemeinsame Erinnerungen, als sie von der alten Zeit im selben Viertel sprachen. Schon nach einer Woche hatte sich Helene verwandelt: Sie lächelte, scherzte, und ihre Augen strahlten wieder.

Friedrich schlug vor, die Freundinnen sollten gemeinsam eine Erholungskur am Bodensee machen. Zu aller Überraschung willigten sie begeistert ein. Die Pflegerin, die Helene früher gestört hatte, schien ihr jetzt gar nicht mehr so schlimm. Die Frauen entwickelten neue Interessen und sprachen oft über zukünftige Pläne. Einmal, bei einem Gläschen leichten Weins – nur der Gesundheit wegen! – kamen sie aufs Meer zu sprechen. Zunächst nur eine verrückte Idee, doch bald wurde daraus Ernst. Friedrich, erfreut über die Veränderung, finanzierte ihnen die Reise, kaufte ihnen lange Kleider und breitkrempige Hüte. Ihm war wichtig, dass seine Mutter glücklich war.

Gertrud und Helene reisten an die Nordsee und schmiedeten Pläne für neue Abenteuer. Lieselotte konnte es kaum fassen: „Gerd, du bist ein Genie! Meine Mutter ist nun unterwegs wie in jungen Jahren! Weißt du, ich möchte auch so reisen, wenn ich alt bin – mit einer Freundin von Kur zu Kur!“

Gerd umarmte seine Frau: „Wenn ich unsere Schwiegermutter mit ihrer Freundin sehe, weiß ich: Das Leben beginnt nicht erst mit achtzig! Wir waren seit drei Jahren nirgends. Soll ich dein Reisegefährte sein? Es ist zu früh, um uns auf dem Sofa zu vergammeln. Und danke Gertrud – sie hat uns gezeigt, wie man in jedem Alter lebt!“

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Als die Schwiegermutter den Abendplan durchkreuzte…
Schwiegermutter schmiedet Intrigen, doch das Blatt wendet sich gegen sie.