In jener Nacht habe ich meinen Sohn und seine Frau vor die Tür gesetzt und die Schlüssel zu meiner Wohnung zurückverlangt. Ich werde es nicht länger ertragen.
Ich bin immer noch aufgewühlt. Eine Woche ist vergangen, seit ich meinen eigenen Sohn und seine Gattin aus meiner Wohnung geworfen habe. Nein, ich bereue nichts. Nicht für eine Sekunde. Alles, was passiert ist, war absehbar. Sie haben es selbst heraufbeschworen. Es kam einfach der Moment, in dem ich begriff: Es reicht.
Damals kam ich müde von der Arbeit nach Hause, wie immer. Als ich die Schwelle übertritt, erstarrte ich. Am Tisch saßen mein Sohn Markus und seine Frau Sabine. Sie schnitt Wurst, er las die Zeitung und grinste, als wäre alles in bester Ordnung.
„Hallo, Mama! Wir dachten, wir besuchen dich mal“, sagte Markus fröhlich, als wäre das kein unerlaubter Einzug in meine Wohnung.
Zuerst freute ich mich tatsächlich. Ich freue mich immer, wenn er vorbeikommt. Aber ich begriff nicht gleich, dass „besuchen“ in ihrem Fall „einzuziehen ohne zu fragen“ bedeutete. Wie sich herausstellte, hatte man sie aus ihrer Wohnung geworfen – wegen Mietrückständen. Nun, kaum überraschend. Ich hatte ihnen schon oft gesagt: sucht euch etwas Einfacheres, lebt innerhalb eurer Verhältnisse. Aber nein! Sie mussten unbedingt mitten in der Stadt wohnen, mit Designereinrichtung…
„Warum hast du nicht angerufen? Warum nicht Bescheid gesagt?“, fragte ich noch immer geschockt.
„Mama, wir bleiben ja nicht lange. Ich suche schon nach einer neuen Wohnung. In einer Woche sind wir raus, versprochen.“
Eine Woche… Nun, eine Woche ist kein Jahr. Als Mutter konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Also ließ ich sie bleiben. Hätte ich nur gewusst, wie das enden würde – ich hätte es mir hundertmal überlegt.
Eine Woche verging, dann noch eine… Aber die beiden hatten nicht vor zu gehen. Im Gegenteil, sie richteten sich ein, als wäre es ihr eigenes Zuhause. Markus erwähnte nichts mehr von der Wohnungssuche, und Sabine benahm sich, als wäre ich ihr etwas schuldig.
Sie arbeitete nicht. Den ganzen Tag hing sie entweder mit Freundinnen ab oder lag vor dem Fernseher. Wenn ich von der Schicht kam, war die Wohnung ein Chaos: kein Abendessen, schmutziges Geschirr, ungewischte Böden. Und das, obwohl sie auf meine Kosten lebten – kein Cent für Essen, keine Miete, keine Nebenkosten!
Ein paarmal wagte ich vorsichtig den Hinweis: „Sabine, vielleicht suchst du dir einen Nebenjob? Dann hättest du Geld und wärst beschäftigt.“ Doch sie verzog das Gesicht und fauchte:
„Wir regeln unser Leben schon selbst! Halten Sie sich raus!“
In diesem Moment blieb mir die Sprache weg. Schweigend ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür. Aber das Gefühl blieb. Es wuchs, es fraß an meiner Geduld, die ich nur noch aufbrachte, weil ich Mutter war.
Dann kam der Tag, an dem das Maß voll war.
Letzten Freitag kam ich erschöpft nach Hause. Und sie? Als ob sie nicht auf meinem Nacken säßen. Der Fernseher dröhnte, sie lachten, lagen auf dem Sofa, knabberten Chips und guckten irgendeine Serie. Und ich musste um sechs Uhr raus! Da hielt ich es nicht mehr aus.
Ich trat ins Zimmer:
„Könnt ihr leiser sein? Ich muss morgen früh zur Arbeit!“
Markus riss sich vom Bildschirm los:
„Mama, jetzt übertreib nicht. Wir sind gleich fertig, okay?“
Aber Sabine, ohne von ihrem Handy aufzusehen, zischte:
„Gute Nacht, Frau Schneider. Machen Sie keine Szene.“
Und da explodierte ich.
„Fernseher aus! Sofort!“
Sie tauschten Blicke. Sabine rollte mit den Augen. Mein Sohn zuckte mit den Schultern. Und dann sagte ich:
„Schluss. Morgen seid ihr weg. Ich bin es leid. Ich ertrag es nicht mehr.“
Sie protestierten, redeten von „wir stören doch nicht“, „Mama, du übertreibst“. Aber mich konnte nichts mehr aufhalten. Ich holte drei große Taschen aus dem Schrank und packte ihre Sachen selbst ein. Markus versuchte mich aufzuhalten, doch ich sagte:
„Entweder geht ihr jetzt freiwillig, oder ich rufe die Polizei. Ich schulde euch nichts, klar?“
Eine halbe Stunde später standen sie mit ihren Taschen im Flur. Ich schloss die Tür hinter ihnen, nahm die Ersatzschlüssel aus dem Schloss, steckte sie ein und atmete zum ersten Mal seit einem halben Jahr durch.
Ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind. Sabines Eltern vielleicht – die nehmen sie sicher auf. Und Freundinnen hat sie genug, soweit ich ihre Gespräche mitbekam. Und mein Sohn? Ein erwachsener Mann, kein Kind – die werden schon klarkommen.
Und ich? Ich bereue keine Sekunde. Ich habe mein Zuhause zurück. Die Stille. Den Schlaf. Die Freiheit. Und meine Würde.
Ja, ich bin eine Mutter. Aber ich bin kein kostenloses Hotel und keine Magd. Ich bin eine Frau, die sich Ruhe in ihren eigenen vier Wänden verdient hat.