Wir kamen, um unseren Sohn zu besuchen, doch er schickte uns ins Hotel – was ist das für eine moderne „Gastfreundschaft“?

Wir sind gekommen, um unseren Sohn zu besuchen, und er hat uns in ein Hotel geschickt. Ich verstehe diese moderne „Gastfreundschaft“ nicht.

Vielleicht nennen mich einige altmodisch. Sollen sie doch. Aber ich bin mit anderen Werten aufgewachsen – mit Wärme, Herzlichkeit und Respekt vor den Älteren. Mein Mann und ich haben ein großes Haus am Stadtrand von Leipzig. Wir waren immer offene Menschen: In unserem Haus ist immer Platz für Gäste. Die einen schlafen im Gästezimmer, andere in unserem Schlafzimmer, und wir können notfalls auch auf der Luftmatratze liegen. Hauptsache, die Leute fühlen sich wohl. So haben wir immer gelebt.

Wir haben drei erwachsene Kinder. Die älteste Tochter wohnt nicht weit entfernt, hat Familie, eine Wohnung, ein Auto, und ihr Mann hilft uns oft. Die Jüngste studiert noch in einer anderen Stadt, wohnt in einem Wohnheim und sagt, sie denke noch nicht ans Heiraten – erst kommt die Karriere. Unser Sohn, Markus, lebt schon lange in der Nähe von München. Nach dem Studium ist er in der Hauptstadt geblieben, hat ein eigenes Geschäft aufgebaut, eine Dreizimmerwohnung gekauft, geheiratet, und nun haben wir einen Enkel. Der Junge ist jetzt sieben Jahre alt.

Mit unserer Schwiegertochter, Heike, verstehen wir uns … sagen wir mal distanziert. Wir sind zu unterschiedlich, und weil wir weit voneinander entfernt wohnen, sehen wir uns selten. Heike kommt nicht gern in die „Provinz“. Vor ein paar Jahren waren sie und unser Sohn für eine Woche bei uns – statt ans Meer wollten sie zu uns. Doch Heike war unzufrieden: zu langweilig, nichts los, nirgends etwas zu unternehmen. Seitdem kommt nur noch unser Sohn, entweder allein oder mit dem Enkel.

Vor ein paar Monaten nahm mein Mann Urlaub und schlug vor: „Lass uns Markus besuchen. Einfach so.“ Ich freute mich. Wir waren noch nie bei ihm zu Hause – hatten weder seine Wohnung gesehen noch wussten wir, wie er lebt. Wir kauften Zugtickets, sagten rechtzeitig Bescheid und kündigten an, wir kämen für eine Woche. Unser Sohn hatte nichts dagegen.

Als wir ankamen, holte uns Markus uns vom Bahnhof ab, und zu Hause erwartete uns ein Abendessen – von Heike zubereitet. Es war nett. Wir unterhielten uns, aßen, und gegen Abend, müde von der Reise, wollten wir schlafen gehen. Da sagte Heike völlig unvermittelt:

„Wir haben für Sie ein Hotelzimmer gebucht. Für die ganze Woche. Wir haben bereits ein Taxi bestellt, alles ist bezahlt.“

Ich verstand nicht sofort, dass sie es ernst meinte. Wir waren doch zu ihnen gekommen! Wir brauchten keinen Luxus, hätten auch auf dem Boden oder in der Küche geschlafen. Unser Enkel versuchte sogar, seine Mutter zu überreden, dass wir bleiben – er versprach, der Opa würde ihm eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen. Doch Heike hatte das Taxi schon angerufen.

„Kommen Sie morgen früh wieder, es sind ja nur zehn Minuten“, sagte sie kühl.

Unser Sohn schwieg. Er sah uns nicht in die Augen. Wir fuhren ins Hotel – er begleitete uns. Im Auto sprach niemand ein Wort.

Das Hotelzimmer war schlicht: ein Bett, zwei Nachttische, ein alter Fernseher und ein winziges Bad. Am nächsten Morgen wachten wir hungrig auf. Es gab keine Küche. Fürs Frühstück mussten wir in ein Café – zusätzliche Kosten. Wir riefen selbst ein Taxi und kehrten zu unserem Sohn zurück. So ging es jeden Tag.

Heike ging morgens zur Arbeit, Markus ebenfalls. Nur der Enkel blieb zu Hause – für die Woche durfte er die Schule schwänzen. Wir verbrachten den Tag mit ihm, abends aßen alle zusammen zu Abend. Und dann wieder zurück ins Hotel. Die Taxifahrten bezahlten wir selbst. Am Ende kostete uns der Trip für viel mehrAm Ende fuhren wir früher nach Hause, enttäuscht und mit dem Gefühl, dass unsere eigene Familie uns nicht wirklich willkommen geheißen hatte.

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Die unerwünschte Wahrheit der Familie