UNERWÜNSCHTE LIEBE: WIE STILLE ZUR EINAMKEIT WIRD

DIE ÜBERFLÜSSIGE FRAU: WENN LIEBE IN STILLE ZU EINSAMKEIT WIRD

Als Heinrich die Gisela zum ersten Mal traf, entbrannte nichts zwischen ihnen, was man Leidenschaft oder plötzliche Verliebtheit hätte nennen können. Kein Herzklopfen, keine zitternden Hände. Zufällig begleitete er sie eines Abends vom Dorftanz nach Hause – alle anderen hatten sich in Paaren auf den Weg gemacht, nur sie blieben übrig. Später schaute er öfter bei ihr vorbei, um zu plaudern und zu lachen. Gisela war eine angenehme, ruhige und gutherzige Frau. Mit der Zeit neckten die Nachbarn: „Wann ist denn endlich die Hochzeit?“ Und Heinrichs Mutter flüsterte oft: „Zögere nicht, ein solches Mädchen lässt man nicht gehen.“ So fügte es sich – sie heirateten.

Sie lebten, wie alle auf dem Land: viel Arbeit, wenig Worte. Für Zärtlichkeiten oder Liebesgeständnisse blieb keine Zeit. Doch ein Licht erfüllte ihr Leben – ihr Sohn Friedrich. Sie zogen ihn auf, so gut sie konnten, freuten sich über seine Erfolge. Erst die Schule, dann die Universität, schließlich brachte Friedrich seine Verlobte mit – die sanfte Brigitte. Gisela mochte sie auf Anhieb. Still, höflich, bescheiden – eine Traumschwiegertochter. Freudig planten sie die Hochzeit, und Giselas Herz war voller Glück. Doch das Unglück kam von unerwarteter Seite.

Das Fest war in vollem Gange: Der Saal war überfüllt, Musik dröhnte, der Duft von Braten, Blumen und Bier lag in der Luft. Gisela saß da, etwas müde, aber zufrieden. Plötzlich schweifte ihr Blick zu Heinrich – er tanzte ausgelassen mit einer grell geschminkten Blondine, die sich an ihn schmiegte. Ihr Lachen, ihre Blicke, jede Geste schrie: „Ich bin nicht nur zufällig hier.“ Gisela wandte die Augen ab und dachte: „Er hat getrunken, albert herum. Ist ja schließlich ein Fest.“

Als der Walzer erklang, schwebten die Neuvermählten über die Tanzfläche. Gisela kämpfte mit Tränen, als sie Brigitte sah – ganz in Weiß, zart und anmutig. Doch dann wieder Heinrich. Mit dieser Marina, wie sich später herausstellte. Eine Kollegin von Brigitte, unverheiratet, zehn Jahre jünger. Lustig, keck, ohne Hemmungen. Die Nachbarin zischte: „Mach dem Theater ein Ende! Ich stehe dir bei!“ – „Weshalb den Kindern den Tag verderben?“ antwortete Gisela. Doch ein bitterer Nachgeschmack blieb.

Zu Hause war das Gespräch kurz. Heinrich winkte nur ab: „Ach was, ein bisschen getrunken, ein bisschen getanzt – was soll’s? Man feiert doch.“ Doch von da an besuchte er oft die „Kinder“ – brachte Eingemachtes, Honig, Kartoffeln. Bis Friedrich einmal verriet: Der Vater lieferte die Gaben ab und fuhr weiter – in die Stadt, „wegen Geschäften“. Diese „Geschäfte“ entpuppten sich als Affäre mit Marina.

Heinrich verschwieg nichts – Marina war für ihn wie ein frischer Wind. Ein Fest, ein Feuerwerk, Leidenschaft. „Du bist ein Sumpf“, sagte er zu Gisela. „Sie ist ein Sturm. Wir können uns streiten, Teller zerschmeißen – aber dann brennt zwischen uns das Feuer!“ Er ging. Kündigte seine Stelle, verkaufte den Traktor, zog fort. Nur eine schwere Last blieb in Giselas Brust. Verrat, Leere.

Lange fragte sie sich: Wo hatte sie versagt? Sie war immer da gewesen, hatte geglaubt, gekocht, gewartet. Was war falsch? Hätte sie anders sein sollen – laut, mit Feuer? Doch das war sie nicht. Sie war Stille, Verlässlichkeit. Doch offenbar reichte das nicht.

Friedrich und Brigitte kamen oft. Der Sohn wurde ihr einziger Trost. Nachts lag Gisela wach, starrte an die Decke und stellte sich dieselben Fragen. Doch eines Morgens, vom Regen geweckt, spürte sie plötzlich: Es war gut, dass er fort war. Warm. Friedlich. Endlich wahrhaftig.

Sie rückte den Tisch ans Fenster – früher fürchtete Heinrich Zugluft. Sie ordnete alles neu, wie es ihr gefiel. Und plötzlich war alles anders. Der Schnee draußen, die Vogelbeeren, selbst die Stille – alles gehörte ihr. Sie holte die alten Skier hervor und glitt erstmals seit Jahren übers Feld. Die Luft brannte in der Lunge, der Schnee knirschte unter den Sohlen. Es war Freude. Ihre eigene.

In der Pfanne brutzelten Kartoffeln – jene, in Butter gebratenen, die Heinrich nie vertragen hatte. Sie knusperten zwischen den Zähnen, und in ihrer Brust war Wärme. Friedrich sagte: „Vater kommt vorbei.“ Giselas Herz zuckte, doch er holte nur seine Sachen. Sie lächelte, steckte sich eine heiße Scheibe in den Mund und murmelte: „Wie schön das ist…“

Nun wusste sie – ihr Leben ging weiter. Ohne Stürme, ohne Feuerwerke, aber mit Stille, Frieden und… wahrer Freiheit.

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UNERWÜNSCHTE LIEBE: WIE STILLE ZUR EINAMKEIT WIRD
Vierzig Jahre unter dem Schutz der Mutter – und eine Flucht, die ich nun bereue