Karl erwachte und sah als Erstes seine Gisela am Bett stehen. In ihren Händen hielt sie ein Tablett mit einer dampfenden Tasse Kaffee. Auf kleinen Tellern lagen akkurat geschnittener Käse und Wurst.
„Guten Morgen, Liebling“, flüsterte sie mit einem Lächeln, das wie eine Melodie klang, die Glück versprach.
„Das alles für mich?“, fragte Karl unglaubig und rieb sich die Augen.
„Natürlich, alles nur für dich“, antwortete Gisela, während ihre Augen warm funkelten.
Eine halbe Stunde später erwartete ihn in der Küche ein gedeckter Tisch, der von Gemütlichkeit und Fürsorge sprach. Als sie zur Arbeit ging, küsste Gisela ihn auf die Wange, ein Hauch von Parfüm in der Luft.
„Vergiss nicht, heute Abend trifftst du dich mit den Jungs in der Werkstatt“, erinnerte sie ihn und glättete seinen Kragen.
„Und… darf ich länger bleiben?“, fragte Karl, der solche Freiheit nicht gewohnt war.
„Natürlich, Schatz, ich werde auf dich warten“, sagte sie mit einem Lächeln, das ihm das Herz stocken ließ.
Abends, als er in sein Dorf Hinterstein zurückkehrte, blieb Karl wie erstarrt auf der Schwelle stehen, als hätte er die falsche Tür geöffnet.
Vor ihm stand Gisela, als wäre sie einem Hochglanzmagazin entsprungen. Ein Abendkleid mit tiefem Rückenauschnitt, wallendes Haar und mit Wimperntusche betonte Augen, die Rätsel bargen.
„Du siehst… unglaublich aus!“, hauchte Karl, dem noch ein leichter Biergeruch anhängte.
Auf dem Tisch erwartete ihn ein festliches Mahl: Kerzen flackerten, spiegelten sich in den Weingläsern, und Gisela, die ihm elegant gegenübersaß, berührte seine Hand mit einer fast theatralischen Lässigkeit.
„Und? Kein Kopfweh? Nicht müde von der Arbeit?“, fragte Karl, der das alles noch nicht fassen konnte.
„Ich sprühe vor Energie“, antwortete sie und führte ihm eine Weintraube an die Lippen.
„Krasser Scheiß!“, murmelte Karl, während er langsam kaute. „Das nenn ich Leben!“
Am nächsten Tag traf er einen alten Freund im Dorfzentrum.
„Na, wie läuft’s?“, fragte der und klopfte ihm auf die Schulter.
Karl strahlte übers ganze Gesicht:
„Leben wie im Märchen! Davon träumt doch jeder.“
Am Wochenende erinnerte Gisela ihn:
„Vergiss nicht, am Samstag wolltest du mit den Jungs an den See zum Angeln.“
„Ernsthaft? Du lässt mich gehen?“, fragte Karl misstrauisch.
„Natürlich, fahr nur, entspann dich mit deinen Freunden“, antwortete sie und reichte ihm einen flauschigen Bademantel.
Am Freitag packte Gisela seinen Rucksack, liebevoll belegt mit Essen und selbstgebackenen Kuchen, die nach Zuhause rochen.
Karl starrte sie fasziniert an:
„Du hast wirklich nichts gegen das Angeln?“
„Überhaupt nicht, ich bin absolut dafür“, lächelte sie.
„Und wenn ich ohne Fisch zurückkomme?“
„Macht nichts, dann kauf ich welchen und koche ihn“, erwiderte Gisela gelassen.
Karl trat näher, immer noch ungläubig:
„Träum ich etwa?“
„Liebling, das ist kein Traum“, flüsterte sie, und ihre Stimme klang wie ein Versprechen ewigen Glücks.
Beim Angeln prahlte Karl vor seinen Freunden:
„So muss das sein! Alles perfekt, Jungs!“
Zuhause warf er den dreckigen Rucksack auf den Boden und ging erschöpft unter die Dusche. Gisela räumte schweigend auf und wusch seine fischig riechende Kleidung. Als Karl zurückkam, warteten schon gebratener Fisch, Salate und eine Flasche kühles Bier auf dem Tisch.
„Das nenn ich Service!“, dachte er. „So empfängt man einen Mann!“
Am nächsten Morgen erwachte Karl, erwartungsvoll, wie immer: Gisela mit dem Kaffeetablett am Bett. Er streckte sich, öffnete die Augen, drehte den Kopf… und erstarrte. Niemand. Leere.
Er stand auf, ging in die Küche – der Tisch war leer, keine Spur von Frühstück. An der Tür stand seine Tasche. Gisela kam aus dem Bad, schon fertig für die Arbeit:
„Bist du immer noch nicht fertig? Beeil dich, ich muss los.“
„Warum steht meine Tasche da?“, fragte Karl verwirrt, als ihm eiskalt wurde.
„Schluss, Liebling. Dein Märchen ist vorbei. Tschüss“, sagte Gisela, und ihre Stimme war kalt wie ein Wintersturm.
„Moment!“, packte er sie am Arm. „Wir hatten doch ausgemacht: Wenn mir alles gefällt, bleibe ich. Und es war perfekt! Wir sind füreinander gemacht!“
„Aha, ich habe also deinen Test als ‚perfekte Frau‘ bestanden?“, fragte sie spöttisch und entzog ihm ihren Arm.
„Mehr als das!“, rief Karl, immer noch hoffnungsvoll.
„Weißt du, ich habe dich auch getestet“, funkelten ihre Augen eisig. „Und du hast versagt. Perfekt ist, wenn es beiden gut geht. Bei uns hatte nur du ein Traumleben.“
„Warte, ich schenk dir Blumen, Geschenke, trag dich auf Händen! Soll ich mit dem Angeln aufhören?“, plapperte Karl verzweifelt.
„Zu spät, Liebling. Da hättest du früher dran denken sollen. Vergiss die Tasche nicht“, schnitt sie ihm das Wort ab.
„Aber wenigstens ein letztes Frühstück…“, murmelte er und klammerte sich an den letzten Strohhalm.
„Geh ins Café“, warf sie hin und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
Karl stand auf der Schwelle, die Tasche in der Hand, und starrte auf die geschlossene Tür. Sein perfektes Leben war zerfallen wie ein Kartenhaus, zurück blieb nur der bittere Nachgeschmack von Enttäuschung und Leere.