**Tagebuch eines Mannes**
Ich bin 56 Jahre alt. Seit zwei Jahren lebe ich mit einer Frau, die ich liebe und mit der ich mich geborgen fühle. Doch sie bringt immer öfter dieselbe Frage auf: „Warum heiraten wir nicht?“ Doch in mir wächst nicht nur der Wunsch, es nicht zu tun – ich habe Angst davor. In diesem Alter, nach all den Stürmen des Lebens, träumt man nicht mehr von einer Hochzeit als einem Wunder. Man sehnt sich nach Stabilität, seelischer Wärme und Einfachheit. Eine Ehe aber bedeutet Verantwortung, Bürokratie, Ansprüche auf Eigentum, Unmut der erwachsenen Kinder und ein ewiges „Was wäre, wenn…“. Und ich bin müde von diesem „Wenn“.
Meine Partnerin heißt Greta. Sie ist fünf Jahre älter als ich. Wir haben uns zufällig in einem Kurort kennengelernt, wo ich mich nach einer schweren Krankheit erholte. Zuerst war alles leicht: Spaziergänge, Gespräche bis tief in die Nacht, Ausflüge in nahegelegene Städte, der gleiche Humor. Doch dann begann der Alltag. Sie zog zu mir in meine Dreizimmerwohnung, die ich von meinen Eltern geerbt habe. Mein Sohn ist erwachsen und arbeitet in Berlin. Meine Tochter studiert noch und lebt bei mir. Greta ist ebenfalls geschieden. Sie hat zwei Töchter aus erster Ehe, beide studieren und wohnen bei ihrer Mutter.
Wir teilen unser Leben, den Haushalt, fahren gemeinsam in den Urlaub oder aufs Land, aber jeder lebt von seinem eigenen Geld. Sie hat ihre Rente, ihr Auto. Ich habe meine Wohnung, ein kleines Grundstück in Brandenburg, Ersparnisse und ein Auto, das ich mir selbst gekauft habe. Greta unterstützt ihre Töchter – manchmal mehr, als nötig wäre. Ich helfe meiner Tochter auch, aber ich versuche, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen.
Bei uns läuft alles geordnet. Wir streiten nicht, klären keine Beziehungskrisen. Jeder hat seinen Freiraum. Doch nun will sie den Stempel im Pass. Ich aber nicht.
Nicht, weil ich sie nicht liebe. Sondern weil ich schon einmal verheiratet war. Die Ehe endete schmerzhaft – mit Geschrei, Vermögensstreit, Gericht und Erniedrigung. Mein Ex versuchte, mir die Wohnung zu nehmen, für die ich jahrelang gespart hatte, und tat dabei das Opfer. Danach brauchte ich Jahre, um wieder vertrauen zu können.
Und jetzt fragt Greta wieder: „Warum willst du nicht mein Mann sein?“ Sie versteht es nicht. Und ich kann es nicht erklären, ohne ihre Gefühle zu verletzen.
Ich will nicht, dass mein Zuhause, meine Arbeit, mein Leben – zum Streitpunkt werden, falls wir uns einmal nicht mehr verstehen. Wir sind keine Kinder mehr. Wir werden keine gemeinsamen Kinder bekommen, kein neues Leben „von null“ aufbauen. Alles ist bereits da. Warum sollte man es zerstören und neu verhandeln?
Und dann sind da meine Kinder. Sie haben nie etwas gegen Greta gesagt, aber ich sehe, wie meine Tochter ihr ausweicht, wenn auch höflich. Mein Sohn äußert sich gar nicht. Ich bin sicher: Würden wir heiraten, gäbe es Diskussionen. „Will er jetzt Ansprüche auf die Wohnung?“ „Falls Mama etwas auf ihn überschreibt?“ Sie haben es ohnehin nicht leicht. Ich möchte später die Wohnung verkaufen, mir eine kleine, gemütliche Einzimmerwohnung kaufen und den Rest meinen Kindern geben. Damit sie eine Hypothek aufnehmen oder wenigstens eine anständige Wohnung mieten können. Aber wenn ich heirate, wird alles kompliziert. Dann gilt es als „gemeinschaftlich erworben“.
Ich will keinen Papierkram, ich will nicht vor Gericht landen, falls etwas schiefgeht. Ich will einfach mit der Frau leben, die ich liebe, und sicher sein, dass sie nicht wegen des Wohnrechts, der Wohnung oder der Angst vor dem Alleinsein bei mir ist.
Doch in den letzten Monaten hat sich Greta verändert. Sie schweigt, zieht sich zurück, wirft mir vor, ich würde sie „nicht lieben“. Sie wird empfindlich, beißt sich auf sarkastische Bemerkungen fest. Sie sagt, ich handle „aus Berechnung“. Das tut weh. Denn ich bin aus Liebe bei ihr, aus dem Wunsch, an ihrer Seite zu sein. Ich will nur nicht heiraten.
Wir sind keine verliebten Zwanzigjährigen, die glauben, ein Stempel würde etwas ändern. Er ändert nichts. Er macht alles nur komplizierter. In unserem Alter ist Liebe keine Hochzeit, keine Ringe, kein gemeinsamer Name. Es ist die Hand, die dir in schweren Momenten gereicht wird. Es ist die Gewissheit, dass du abends schweigend mit ihr fernsehen kannst und weißt – sie ist da, und du fühlst dich geborgen.
Doch Greta denkt offenbar, ohne Trauschein sei ich nicht ernsthaft. Und ich frage mich immer öfter: Vielleicht ist gerade das die wahre Reife – zu lieben, ohne Verträge und Verpflichtungen?
Ich weiß nicht, wie unsere Geschichte enden wird. Vielleicht geht sie, verletzt. Vielleicht versteht sie es. Doch ich werde meine Haltung nicht ändern. Ich habe zu viel erlebt, um mich noch einmal in einer Beziehung zu verlieren. Ich will Stille, Respekt und inneren Frieden. Keine Streitereien, keine Vermögensaufteilung und keinen formalen „Ehemann“.
Ich brauche keinen Status – ich brauche einen Menschen. Und wenn sie das nicht versteht, dann ist sie vielleicht nicht die, auf die ich gewartet habe.