**Mein Tagebucheintrag: Der Bruch**
Schon seit einem halben Jahr lebe ich in einer kalten Stille, abgeschnitten von meinem Sohn und meinem Enkel. Alles wegen einer einzigen Absage! Meine Schwiegertochter bat mich, auf das Kind aufzupassen, um mit Freundinnen auszugehen — und ich sagte nein. Warum sollte ich meine eigenen Pläne für ihre Unterhaltung opfern? Es war kein Notfall, bei dem die Oma alles fallen lassen muss! Mit bitterem Herzen erzählt das Gertrud Schneider, eine Frau aus der beschaulichen Stadt Bad Tölz.
Ihr Sohn, Matthias, heiratete vor fünf Jahren. Mit ihrer Schwiegertochter, Sabine, verstand sich Gertrud gut. Sie besuchte die junge Familie oft, lud sie zu sich ein, half finanziell, gab Geschenke. Gertrud gab ihr Bestes, um die Ehe ihres Sohnes zu stärken. Es gab nie Streit, und sie fühlte sich gebraucht — eine geliebte Schwiegermutter.
Vor einem Jahr kam der kleine Finn zur Welt. Gertrud war überglücklich und versprach Sabine jede Unterstützung. Sie half bereitwillig, wenn es zum Arzt ging oder um Behördengänge. Das waren wichtige Anlässe, und Gertrud lehnte nie ab. Matthias arbeitete in einer Fabrik, wo freie Tage selten waren — so wurde Gertrud zur Stütze für die junge Mutter.
Doch dann bat Sabine um etwas anderes: Sie wollte mit Freundinnen feiern, um „dem Alltag zu entfließen“. Gertrud war entsetzt. „Wie kann man ein kleines Kind für Partys zurücklassen?“, dachte sie. „Mutterschaft heißt Verantwortung!“ Sie lehnte klar ab:
„Finn ist dein Kind, nicht meins. Bei einem Notfall wäre ich da, aber nicht für dein Vergnügen.“
Finn war mit einem Jahr ein Energiebündel. Gertrud, schon über sechzig, kam kaum mit. Ein Neugeborenes lässt sich in den Schlaf wiegen, aber ein lebhaftes Kleinkind? Ehrlich gestand sie Sabine, dass es ihr schwerfiel. Doch die Schwiegertochter nahm es als Kränkung.
Seitdem herrscht Funkstille. Sabine rief nicht mehr an, schrieb nicht zurück. Schlimmer — sie hetzte Matthias gegen sie auf. Gertrud versuchte, mit ihm zu reden, doch er schob vor: „Sabine hat viel um die Ohren.“ Aber nein — ihre Nummer war gesperrt. Von fremden Nummern hob Sabine ab — doch sobald Gertruds Stimme erklang, wurde aufgelegt.
Der Schmerz ist unerträglich. Ein Jahr ohne Finns Lachen, ohne ihn im Arm zu halten. „Warum?“, fragt sie sich. „Nur wegen einer Absage?“ Sabines Groll wirkt maßlos, das Schweigen ihres Sohnes durchbohrt ihr Herz. Sie versöhnte sich mehrfach — doch jede Nachricht verhallte ungehört.
Am schlimmsten sind Sabines Vorwürfe, die durch Bekannte zu ihr drangen. Sie verbreitet, Gertrud sei „egoistisch, ihr sei der Enkel egal“. Diese Worte treffen am härtesten. Sie gab der Familie so viel Liebe — nun wird sie ausradiert wie eine Fremde. Soll sie demütig um Vergebung bitten? Wofür? Sie wollte nur ihre Grenzen wahren — und wurde verstoßen.
Jetzt lebt sie allein, sehnt sich nach Finn und Matthias. Ihr einst warmes Zuhause ist leer. Gertrud fragt sich: Kann eine Absage alles zerstören? Sie träumt davon, Finn zu halten — doch Sabine wird nie verzeihen. Und Matthias? Sein Schweigen zerbricht sie.
Was tun? Wer hat Recht? Muss eine Oma sich für Launen opfern? Oder ging Sabine zu weit? Es ist eine Geschichte von Grenzen, Stolz — und zerbrechlichen Familienbanden.