Die Illusion des perfekten Lebens
Lukas erwachte, und das erste, was er sah, war seine Sabine, die am Bett stand. In ihren Händen hielt sie ein Tablett mit einer Tasse duftenden Kaffees. Auf kleinen Tellern lagen sorgfältig geschnittener Käse und Wurst.
»Guten Morgen, Liebling«, sagte das Mädchen mit einem sanften Lächeln, und ihre Stimme klang wie eine Melodie, die Glück versprach.
»Ist das für mich?«, fragte Lukas ungläubig und rieb sich die Augen.
»Natürlich, alles nur für dich«, antwortete Sabine, und ihre Augen funkelten vor Wärme.
Eine halbe Stunde später erwartete ihn in der Küche ein gedeckter Tisch, der Gemütlichkeit und Fürsorge ausstrahlte. Als sie zur Arbeit ging, küsste Sabine ihn auf die Wange und hinterließ einen Hauch von Parfüm.
»Vergiss nicht, heute trefft ihr euch mit den Freunden in der Werkstatt«, erinnerte sie ihn und strich ihm über den Kragen.
»Und… darf ich länger bleiben?«, staunte Lukas, der solche Freiheit nicht gewohnt war.
»Natürlich, Schatz, ich werde auf dich warten«, antwortete sie mit einem Lächeln, bei dem ihm das Herz stehen blieb.
Abends, als er in das Dorf Steinheim zurückkehrte, erstarrte Lukas auf der Schwelle, als wäre er in ein fremdes Leben geraten. Er dachte kurz, er hätte sich in der Tür geirrt!
Vor ihm stand Sabine, als wäre sie dem Titelblatt einer Hochglanzzeitschrift entsprungen. Sie trug ein Abendkleid mit freiem Rücken, ihre Haare flossen in Wellen herab, und ihre mit Kajal betonten Augen strahlten Geheimnis aus.
»Du siehst… atemberaubend aus!«, hauchte Lukas, der noch leicht nach Bier vom Abend roch.
Auf dem Tisch erwartete ihn ein festliches Abendessen: Kerzen flackerten, spiegelten sich in den Weingläsern, und Sabine, die ihm gegenüber Platz nahm, berührte seine Hand mit einer fast schon theatralischen Anmut.
»Und… kein Kopfweh? Nicht müde von der Arbeit?«, fragte Lukas, immer noch ungläubig.
»Ich bin voller Energie«, erwiderte sie und reichte ihm eine Weintraube.
»Krass!«, murmelte Lukas, langsam kauend. »Das nenn’ ich ein Leben!«
Am nächsten Tag traf er einen alten Freund im Dorfzentrum.
»Na, wie läuft’s?«, fragte der und klopfte Lukas auf die Schulter.
Lukas strahlte übers ganze Gesicht:
»Leben wie im Märchen! Davon träumt doch jeder.«
Zum Wochenende erinnerte Sabine ihn:
»Vergiss nicht, am Samstag wolltest du mit den Jungs zum Angeln an den See.«
»Du lässt mich wirklich gehen?«, wunderte sich Lukas und wartete auf den Haken.
»Natürlich, fahr nur, entspann dich mit deinen Freunden«, antwortete sie und reichte ihm einen flauschigen Bademantel.
Am Freitag half Sabine ihm, den Rucksack zu packen, und legte liebevoll Essen und selbstgebackene Kuchen hinein, die nach Zuneigung dufteten.
Lukas starrte sie verzückt an:
»Du hast wirklich nichts gegen das Angeln?«
»Überhaupt nicht, ich bin ganz dafür«, lächelte sie.
»Und wenn ich ohne Fisch zurückkomme?«
»Kein Problem, ich kaufe welchen im Laden und koche ihn«, antwortete Sabine gelassen.
Lukas trat näher, immer noch zweifelnd:
»Träume ich etwa?«
»Liebling, das ist kein Traum«, flüsterte sie, und ihre Stimme klang wie ein Versprechen ewigen Glücks.
Beim Angeln prahlte Lukas vor seinen Freunden:
»Was für ein Leben! Alles perfekt, Jungs!«
Daheim warf er den dreckigen Rucksack auf den Boden und ging erschöpft ins Bad. Sabine packte den Rucksack schweigend aus und wusch seine nach Fisch riechende Kleidung. Als Lukas herauskam, warteten gebratener Fisch, Salate und eine Flasche kühles Bier auf ihn.
»So muss das sein!«, dachte er. »So soll eine Frau ihren Mann empfangen!«
Am nächsten Tag erwachte Lukas und erwartete das vertraute Bild: Sabine mit dem Kaffeetablett am Bett. Er reckte sich, öffnete die Augen, drehte den Kopf—und erstarrte. Niemand. Leere.
Er stand auf, ging in die Küche—der Tisch war leer, keine Spur von Frühstück. An der Tür stand seine Tasche. Sabine kam fertig angezogen aus dem Bad:
»Bist du noch nicht fertig? Beeil dich, ich muss los.«
»Warum steht meine Tasche hier?«, fragte er verwirrt, als alles in ihm kalt wurde.
»Es ist vorbei, Schatz. Dein Märchenleben ist aus. Leb wohl«, sagte Sabine, und ihre Stimme war eisig wie der Winterwind.
»Warte!«, packte er ihren Arm. »Wir haben doch ausgemacht: Wenn mir alles gefällt, bleibe ich. Und alles war perfekt! Wir sind füreinander bestimmt!«
»Ach, ich habe also deinen Test zur ›perfekten Ehefrau‹ bestanden?«, fragte sie sarkastisch und entzog ihm ihren Arm.
»Und wie!«, rief Lukas, immer noch hoffnungsvoll.
»Weißt du, ich habe dich auch getestet«, ihre Augen blitzten kalt. »Und du hast versagt. Perfekt ist, wenn es beiden gut geht. Aber in unserer Geschichte hatte nur einer ein tolles Leben.«
»Warte, ich werde dir Blumen schenken, Geschenke, dich verwöhnen! Soll ich aufs Angeln verzichten?«, platzte er verzweifelt heraus.
»Zu spät, Liebling. Hättest früher darauf kommen sollen. Vergiss die Tasche nicht«, schnitt sie ihm das Wort ab.
»Kannst du mich wenigstens zum Abschied bekochen?«, murmelte er und klammerte sich an den letzten Strohhalm.
»Geh ins Café«, warf sie hin und schlug die Tür vor seiner Nase zu.
Lukas stand auf der Schwelle, umklammerte den Griff seiner Tasche und starrte auf die geschlossene Tür. Sein perfektes Leben war wie ein Kartenhaus zusammengefallen und hinterließ nur den bitteren Geschmack von Enttäuschung und Leere.