„Wenn das Herz richtig spricht“
— Ich bin doch nicht dein Kindermädchen, Tanja. Ich arbeite, ich bin müde.
— Und ich etwa nicht? Darf ich mir mal eben die Haare schneiden lassen?
Dieser Dialog spielte sich im Haus von Tanja und Timo häufiger ab als das Klingeln der Haustür. Er war Bauunternehmer, mit Geschäft, mit Geld, mit fester Stimme. Sie—Ehefrau, Mutter, Haushälterin, das Rückgrat der Familie. Schweigend das Alltagsleben, das Kind und sich selbst tragend. Ihre Freundinnen verstanden sie nicht. Besonders Laura, ihre engste Freundin seit Kindertagen.
— Tanja, er ist kein Partner. Er ist ein Tyrann. Hätte ich so einen, wäre ich nach einem Monat weg!
— Er ist gut! — antwortete Tanja bestimmt, doch jedes Mal fühlte sie, wie dieses „gut“ brüchiger wurde.
Die Eltern waren nicht da. Tanjas Mutter war vor acht Jahren an Krebs gestorben, und an ihren Vater konnte sie sich nicht erinnern—er war gegangen, als sie drei war. Timos Eltern hingegen lebten schon lange in Österreich und hatten, trotz ihrer „knapp über Sechzig“, keine Eile, selbst für den Enkel zurückzukehren.
Als Tanja nach dem Tod ihrer Mutter allein dastand, war Timo der Einzige, der blieb. Ihre Freundinnen waren beschäftigt: die eine mit Fieber, die andere mit ihren Angelegenheiten. Tim kam einfach, blieb, bot seine Schulter an. Damals reichte ihr das, um zu glauben.
Drei Jahre später—Hochzeit. Noch mal drei—Lukas wurde geboren. Und da begriff Tanja: Zu Hause war Tim keine Hilfe. „Ich bin kein Babysitter“, sagte er, und das wurde zum Mantra.
Sie versuchte, ihr früheres Leben zurückzuholen—Treffen, Spaziergänge, Abende mit Freundinnen. Doch Lukas im Kinderwagen nervte alle. Die einen wollten nichts von Windeln hören, die anderen täuschten Termine vor. Nur Laura kam. Bis sie eines Tages fragte:
— Kannst du dir nicht mal eine Nanny leisten?
Tanja wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie hätte es sich leisten können, aber Tim hätte sicher geantwortet: „Kümmer dich selbst darum.“ Also kümmerte sie sich. Aus Gewohnheit. Aus Liebe. Aus Pflicht.
Als Tanja von der zweiten Schwangerschaft erfuhr, überkam sie eine seltsame, klebrige Angst. Nicht um sich—um die Familie. Wie würde er zurechtkommen? Wenn ihr etwas passierte?
— Super! Lukas bekommt eine Schwester! — freute sich Timo.
Lukas kam in den Kindergarten—„damit er dich nicht zu sehr beansprucht“, sagte ihr Mann. Doch zu Hause blieb alles an ihr hängen: Kochen, Putzen, Waschen. Nicht einmal der Gedanke, um Hilfe zu bitten, kam ihr.
Ihre Freundinnen luden sie ein. Einmal ging sie. Doch als sie Wein ablehnte, spottete Rita:
— Erst mit Kinderwagen, jetzt wieder schwanger. Was ist das für ein Leben?
Tanja antwortete nicht. Nur innerlich zog es sich zusammen: Ja, nicht wie bei den anderen. Aber ihr Leben. Und sie liebte es.
Die Schwangerschaft verlief normal. Bis die Wehen einsetzten. Mitten in der Nacht fuhr sie ins Krankenhaus.
— Morgens bringe ich Lukas in den Kindergarten und komme zu dir! — versprach Tim.
Doch die Geburt stockte. Stunde um Stunde, Schmerz, Angst. Die Ärzte warteten, wollten nicht gleich einen Kaiserschnitt machen. Doch dann—Notoperation.
Ein Mädchen kam zur Welt. Gesund, winzig. Doch Tanja ging es immer schlechter. Das Fieber stieg. Untersuchungen zeigten nichts. Nach drei Tagen wurde die Tochter entlassen—Timo holte sie ab. Tanja blieb. Allein, mit fast vierzig Grad Fieber, Panik im Bauch. Wie schaffte er es daheim? Wie ging es dem Baby? Wenn sie starb?
Professor Bauer wurde gerufen. Er zögerte nicht.
— Sofort zum CT.
Eine verborgene Entzündung wurde entdeckt. Tanja wurde in ein künstliches Koma versetzt. Kurz davor hörte sie noch, wie der Arzt sagte: „Die Gebärmutter muss raus. Sonst schafft sie es nicht.“
Dann—Dunkelheit.
Als sie die Augen öffnete, stand eine Schwester am Bett, eine Infusion tropfte. Tanja lächelte schwach. Sie lebte.
— Ihr Mann war hier. Mit dem Kinderwagen. Alles in Ordnung, keine Sorge.
— Er kann nicht mal Eier kochen…, flüsterte Tanja.
— Hat er längst gemacht. Fläschchen angerührt. Lukas in den Kindergarten gebracht. Hält sich tapfer. Wirklich.
Tränen stiegen ihr auf. Er—hielt durch.
Zehn Tage später durfte sie heim. Die Wohnung war aufgeräumt. Das Baby—gefüttert. Lukas—im Kindergarten. Ihr Mann—an ihrer Seite. Windeln—frisch. Küche—sauber. Tanja sah Timo an wie ein Wunder.
— Und wer wechselt den Verband?
— Ich. Gibts Alternativen?
— Du?..
— Ich.
Und jede Nacht stand er für Katharina auf. Ohne Worte, ohne Bitten. Er tat es einfach.
— Wie hast du das geschafft?
— Hast du nicht mit mir gerechnet, oder?
— Ehrlich? Nein. Aber ich wusste immer, dass du gut bist.
— Ich bin kein Held, Tanja. Ich bin dein Mann. Ein ganz normaler Mann.
Zwei Monate später, zu Tanjas Geburtstag, klingelte es. Sie ging zur Tür.
— Überraschung! — flüsterte Hannelore, die mit einem Berg Tüten und Liebe ins Haus platzte. Hinter ihr—Gerd, erschöpft, aber glücklich.
Tanja wollte fragen, wo sie gewesen waren, als alles brannte, als sie fast gestorben wäre… Doch sie sah sie nur an—und ihr Herz wurde weich. Sie gehörten auch zu dieser Welt, in der sie Timo hatte.
— Tanja, sei nicht böse, dass wir nicht früher gekommen sind. Aber Tim hat dich doch nicht im Stich gelassen, oder?
— Nein. Er hat mich nie im Stich gelassen. Und würde es auch nie. Weil er der Beste ist.