Himmelsgeschenk: Ein neuer Anfang

Ein zweiter Chance, geschenkt vom Himmel

„Es tut weh…“, flüsterte Nina kaum hörbar mit aufgesprungenen Lippen.

Der Versuch, sich umzudrehen, scheiterte – ihr Körper gehorchte nicht. Jeder Muskel schmerzte, als wäre ein Panzer darübergefahren, und nicht nur einmal. Der linke Arm lag leblos wie eine fremde Peitsche da, durchzuckt von stechendem Schmerz. Ihr Bewusstsein, getrübt von Schrecken und Rauch, konnte kein klares Bild des Geschehens formen. Nur Fragmente – Feuer, Schläge, ein Himmel so schwarz wie die Nacht… und eine Stimme. Wo war er? Wo war Lars?

Ein Schrei erstickte in ihrer Kehle. Ihr Körper zitterte vor Schmerz, als würde jede Zelle in Agonie aufflammen und wieder erlöschen. Durch den Nebel des Schmerzes drang der beißende Geruch von Rauch in ihre Nase – scharf, verbrannt, unheilvoll. Nina versuchte, sich von der Hitze wegzuziehen, von den Flammen, die ihre Beine packten. Das war keine Realität – das war die Hölle selbst, jene aus ihren schlimmsten Albträumen.

Sie verlor das Bewusstsein.

Im Traum kehrte zurück, was für immer verloren schien. Sie saßen am Tisch. Kristallgläser, perlender Sekt. Lars lachte, während er die Flasche öffnete.

„Na also, Ninchen, jetzt bist du offiziell verrückt“, scherzte er. „Die einzige Frau, die es in die Fliegerausbildung geschafft hat! Wie du die Ärzte überzeugt hast, bleibt mir ein Rätsel.“

„Ich kann mehr als nur mit den Augen schießen“, zwinkerte Nina ihm zu.

„Du bist eine Rabaukin, keine Pilotin“, schüttelte Lars den Kopf. „Aber du liebst den Himmel. Genau wie ich. Flugnavigation ist kein Kinderspiel. Das ist ernst. Danke, dass ich dich auf den Simulator gejagt habe – du hast es drauf.“

„Beruhig dich, Hauptmann. Lass uns trinken, bevor die Blasen verfliegen“, lächelte sie und nippte am Wein.

Lars erzählte vom Himmel, wie er als Kind zum ersten Mal in einem Helikopter saß. Wie er träumte. Wie er sich die Wolken in Form von Tieren vorstellte, die Zuckerwatte am Himmel sammelten. Nina dachte damals: „Was für ein Träumer…“

Doch sie hatte auch geträumt. Mit ihm. Zusammen waren sie durch die Ausbildung gegangen. Zusammen in der Luft. Und leider – zusammen im Krieg.

Als Nina wieder zu sich kam, knackte etwas unter ihr. Die MI-8. Verkohlt, zerfetzt. Ihr Helikopter – jetzt nur noch ein Trümmerhaufen aus totem Stahl. Und daneben, zwischen den Trümmern, lag er. Lars. Seine Hände umklammerten das Steuer, als könnte nicht einmal der Tod ihn aus dem Cockpit reißen. Er hatte bis zum Ende gekämpft.

Nina taumelte, ihr Blut pochte in den Schläfen. Unfähig, näher zu treten, sah sie zu, wie Ameisen über seinen Körper krabbelten, wie das Blut auf seiner Uniform Fliegen anzog.

Näher gehen – das hieße, es zu akzeptieren. Zu begreifen. Seinen Tod anzunehmen. Aber wie? Wie, wenn seine Stimme noch in ihrem Kopf erklang? Wenn sie seinen letzten Kuss vor dem Abflug noch auf den Lippen spürte?

Der Krieg war plötzlich in ihr Leben eingebrochen. Sie hatten sich gerade auf einen Übungsflug vorbereitet. Der Spitzname „Die Unzertrennlichen“ klebte fest an ihnen. Fünf Jahre – eine Crew. Ein Rhythmus. Ein Weg.

„Bereit, Co-Pilotin?“, zwinkerte Lars, während er seine Jacke zuknöpfte. „Windeln eingepackt?“

„Nur, um deinen Hintern zu retten“, grummelte Nina.

„Weißt du noch, wie alles anfing? Du, Äpfel, Zöpfe… Die Diebin aus dem Garten der Beckers.“

„Und du warst der naive Trottel, der mich über den Zaun gehoben hat“, lachte sie.

Es war ihr letztes Gespräch vor dem Abflug.

Jetzt – nur Stille. Nina band ihren Arm mit einem Riemen ab – der Schmerz schoss wie Strom durch sie hindurch. Sie raffte zusammen, was sie konnte, und nahm Lars’ Erkennungsmarke von seinem Hals. Er war tot. Aber sie lebte. Also musste sie weiter. Sie musste hier raus. Für ihn. Für die Erinnerung. Für das neue Leben, das in ihr längst begonnen hatte…

Ein Rascheln.

Stimmen.

Sie kamen.

Nina duckte sich ins hohe Gras. Der Schmerz bedeutete nichts. Sie durfte sich nicht verraten. Nicht atmen. Nicht bewegen. Wenn sie sie fanden – war alles vorbei. Sie kroch. Langsam. Kratzte sich den Bauch auf, bis ihre Zähne knirschten. Sie kroch, bis sie in Ohnmacht fiel.

Sie wachte nachts auf. Sterne. Ein schwarzer Himmel. Sie war allein.

Morgen. Ein Mohnfeld. Der Durst trieb sie in den Wahnsinn. Die Feldflasche war leer. Ihr Arm – gebrochen. Doch ihr Herz schlug noch.

„Gott, wenn es dich gibt…“, flüsterte sie, „lass mich nicht sterben. Für ihn. Für uns.“

Als Nina wieder erwachte, lag sie im Krankenhaus. Weiße Decke. Eine Infusion. Lars’ Erkennungsmarke in ihrer Hand.

„Mein Sohn wird den Himmel lieben“, sagte sie und strich über ihren Bauch.

„Woher willst du wissen, dass es ein Junge wird?“, fragte die Mutter.

„Ich weiß es einfach. Damals, im Wald, zwischen Feuer und Rauch, habe ich Gott gebeten, mein Leben zu retten. Meines. Seines. Und er hat gehört. Das ist meine zweite Chance. Für ihn.“

Der Krieg hatte alles genommen, aber sie nicht gebrochen. Das Leben ging weiter. Und dort, wo ein Traum gestorben war, wurde ein neuer geboren. Stark wie seine Arme. Rein wie sein Blick. Und hell wie der Himmel, für den er gestorben war.

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