Vor einem Jahr habe ich mich gegen meine Eltern aufgelehnt – und heute bin ich glücklich!
Wir warten zu oft, schieben den Moment auf, in dem wir uns trauen, unser Schicksal in die Hand zu nehmen. Manchmal fühle ich mich wie ein mächtiger Fluss, der sich durch endlose Landschaften schlängelt … Mal fließt er ruhig und gelassen, mal stößt er auf Hindernisse, die ihn zwingen, Umwege zu nehmen. An seinen Ufern liegen Städte – einige strahlen voller Schönheit und Freude, andere sind düster, erfüllt von Wut und scheinen von Bitterkeit durchdrungen.
Und all diese Gefühle fließen in seine Wasser hinein. Doch der Fluss muss weiterziehen, seinen Lauf nehmen, die Menschen erfreuen, die Erde beleben. Und alles hinaustragen in das weite Meer – einen bodenlosen Speicher aus Emotionen und Geschichten.
Aber wissen Sie was? Ich will nicht mehr, dass es so läuft! Warum darf der Fluss nicht rebellieren? Warum darf er nicht über die Ufer treten, sich in einen Sturm verwandeln, Wellen bis zum Himmel auftürmen? Ich will das Recht haben, aus meinem vorgegebenen Bett auszubrechen!
Genug mit diesen Naturbildern, genug mit Verzweiflung und leeren Träumen. Das gehört der Vergangenheit an.
Hier ist meine Geschichte.
**Ein Leben in sechs Ziffern**
Ich war neun, als meine Eltern verkündeten, ich müsse Geige lernen. Ich wollte nicht. Aber jeden Tag setzte ich mich hin und quälte mich. Es war nicht meins – ich träumte davon, zu malen.
Mit zwölf verboten sie mir, das Mädchen aus der Nachbarschaft zu treffen – zu jung für solche Freundschaften, hieß es.
Mit vierzehn entschieden sie, dass ich aufs naturwissenschaftliche Gymnasium gehen sollte. Dabei wollte ich Designer werden.
Mit achtzehn beugte ich mich wieder ihren strengen Vorgaben – ich studierte BWL.
Mit zwanzig verliebte ich mich in Lena. Einmal blieb ich zu lange bei ihr und verpasste den letzten Bus. Geld für ein Taxi hatte ich nicht, kein Handy, um Bescheid zu sagen. Am nächsten Morgen verpasste mir mein Vater eine Ohrfeige, dass mir die Backe knackte. Ich spüre es bis heute.
Mit dreiundzwanzig stellten sie mir die Frau vor, die sie für mich ausgesucht hatten – so war es Brauch in unserem Dorf, so galt es als richtig. Wir heirateten. Kinder kamen. Wir zogen sie groß, und dann war es Zeit, ihren Weg vorzuzeichnen.
**Schluss mit den Plänen!**
Doch eines Tages verkündeten meine Eltern und meine Frau, sie hätten bereits alles für die Kinder entschieden – wer wo und was studieren würde. Für Jahre im Voraus. Wie bitte? Ernsthaft? Da platzte mir der Kragen. Wie viele Leben wollten sie noch nach ihren Regeln gestalten?
Mit ihrem erstarrten Blick hatten sie jeden Funken in mir erstickt, mich zur Marionette gemacht, die an ihren Fäden zuckte. Und meine Frau? Was dachte die sich? Ich schrie – glauben Sie mir, es war ein Schrei der Seele. Zum ersten Mal sah ich mein Leben als Ganzes – wie ein riesiges Puzzle unter dem unendlichen Himmel über einer endlosen Weite.
Und in diesem Himmel entdeckte ich winzige Sterne, die ich nie zuvor gesehen hatte. All die Details, die ich ignoriert hatte, flammten mit solcher Wucht auf, dass sie mich blendeten.
Ich konnte nicht mehr. Nicht mehr ohne Rückgrat sein. Nicht mehr wie ein Schwamm alles hinnehmen. Nicht mehr die Fußmatte unter fremden Stiefeln. Ich durfte nicht – und ich wollte nicht. Ich musste meine Kinder beschützen.
Niemand würde mir mehr vorschreiben, wie ich zu leben habe. Niemand würde meine Tage planen oder Entscheidungen für mich oder meine Kinder treffen. Das Recht dazu hatte keiner.
Apropos Recht – Wirtschaftswissenschaften, die ich studiert hatte, mochte ich nie. Aber jetzt würde ich alles nutzen, um die Vergangenheit auszulöschen und nach vorn zu schreiten.
Die Scheidung verlief unkompliziert. Die Kinder fürchteten sich vor ihr – sie behandelte sie wie Untergebene: grob, mit Schlägen und Strafen. Der Richter zögerte keine Sekunde, entschied zu meinen Gunsten und verurteilte sie wegen ihrer Grausamkeit.
Und meine Eltern? Ich brach den Kontakt ab. Es war Zeit für sie, das Leben anders zu sehen. Sich zu ändern. Nachzugeben, wenn sie ihre Enkel und ihren Sohn behalten wollten.
**Ein Aufzug, zwei Klingeln**
Ein Jahr verging, bis sie vor meiner Tür standen – zwei verwandelte Menschen, als hätten sie endlich ehrlich mit sich selbst abgerechnet. Zwei Menschen, die jahrzehntelang nach leeren Dogmen lebten und damit die Schönheit jedes Tages, den Zauber von Träumen und das Glück der Gefühle zerstörten.
Das Treffen war kurz, doch ergreifend: Zum ersten Mal spürte ich, dass ich liebevolle, aufrichtige Eltern vor mir hatte. Warum kurz? Weil eine halbe Stunde später erneut geklingelt wurde.
Sie standen sofort auf, sagten, sie müssten gehen, und baten mich, anzurufen, wenn ich bereit sei. Zwei Minuten nach ihrem Aufbruch hielt der Aufzug auf meiner Etage. Und heraus kam Lena. Ja, genau die Lena, die ich immer noch heimlich liebte und in meinen Träumen sah. Sie hatten sie gefunden – ihr alles über mich erzählt, sich bei ihr entschuldigt. Geweint. Bereut, was sie angerichtet hatten.
**Ohne Fesseln, ohne Grenzen**
Lena eroberte meine Kinder mit ihrer Güte und Lebensfreude. Sie erlebten zum ersten Mal, wie es ist, liebevolle und verständnisvolle Eltern zu haben. Streng, gerecht, vergebungsbereit und immer bereit zuzuhören. So ist meine Lena. Ihr Eintritt in unser Leben fühlte sich an wie eine Wiedergeburt – als hätten wir vorher weder Frühling noch Sommer gekannt und lebten nun in einem ewigen Sommer, Tag für Tag, voller Wärme und Liebe.
Ein Jahr später kam unser drittes Kind zur Welt – ja, alle drei sind unsere, von mir und Lena. Und wir sind eine unglaublich glückliche Familie.
Meine Eltern sind jetzt wie eine aktualisierte Version ihrer selbst – als hätten sie sich endlich erlaubt, lockerzulassen und ohne ständige Fesseln zu leben. Unser Leben ist wunderschön. Ich beklage die Vergangenheit nicht, aber ich weiß: Ein Fluss sollte nicht zu lange warten – besser rechtzeitig aufwachen und rebellieren. Es lohnt sich.