**Unerwünscht – und doch dazugehörig**
Das Urteil über die Fremde in der Familie sprach die älteste Tochter – Helga. Bösartig, einsam, mit beißendem Charakter und einem schweren Blick war sie mit dreißig Jahren zum Albtraum der Männer geworden. Weder mit ihrem Mann noch mit dem Leben zufrieden, zerriss sie die neue Schwägerin, als ihr Bruder sie ins Haus brachte:
*„Die Zugereiste.“*
Sie spuckte das Wort aus wie einen Schimpf.
Die jüngere Schwester, die rundliche und fröhliche Lotte, kicherte in ihre Hand. Die Mutter schwieg, doch an ihren zusammengepressten Lippen und dem strengen Blick war klar: Auch sie mochte die Schwiegertochter nicht. Was sollte sie auch mögen? Der einzige Sohn, die Hoffnung der Familie, kam aus der Bundeswehr zurück – ohne Abschluss, ohne Glück, aber mit einer Frau. Eine Frau ohne Vergangenheit, ohne Familie, ohne einen Pfennig in der Tasche. Man munkelte, sie sei aus dem Heim oder bei Fremden aufgewachsen. Irgendetwas verbarg er. Er wich aus:
*„Alles wird gut, Mutti, mach dir keine Sorgen.“*
Doch wer konnte da lachen? Vielleicht war sie eine Diebin? Oder schlimmer – eine Betrügerin? So etwas gab es doch genug.
Seit diesem Tag konnte Barbara – so hieß die Mutter – nicht mehr schlafen. Sie lag nachts wach, horchte, ob die „Zugereiste“ in den Schränken wühlte. Und die Töchter hetzen weiter:
*„Mutti, versteck lieber deine Sachen. Pelze, Ringe. Sonst wachen wir eines Tages auf – und alles ist weg.“*
Sie quälten ihren Bruder Tilman:
*„Wen hast du da ins Haus geschleppt? Ohne Herkunft, ohne Familie. Sieht aus wie vom Fleck weggefallen!“*
Doch leben mussten sie zusammen. Barbaras Haus war stabil, der Hof groß: ein Garten, Schweine, Hühner – Arbeit für drei.
Aber Anna, so hieß die Schwiegertochter, beschwerte sich nie. Im Garten, bei den Tieren, in der Küche – sie arbeitete schweigend, fleißig, mit Respekt vor der Hausherrin.
Doch Barbara war nichts gut genug. Ihr Mutterherz blieb verschlossen. Gleich am ersten Tag sagte sie kalt:
*„Nenn mich beim Namen. Ich habe genug Töchter. Du bleibst fremd.“*
Seither nannte Anna sie nur so. Und Barbara erwiderte nichts – weder ihren Namen noch ein freundliches Wort. Nur:
*„Das muss erledigt werden.“*
Und weiter nichts.
Die Schwägerinnen quälten sie, wo sie konnten. Ein falsches Wort – und schon zischten sie:
*„Sieh nur, schon wieder an den Schrank!“*
Barbara wies sie manchmal zurecht – nicht aus Mitleid mit Anna, sondern für den Hausfrieden. Das Mädchen war nicht faul. Es trug alles mit sich. Und so sehr Barbara sich wehrte – sie taute langsam auf.
Vielleicht wäre alles gut geworden, doch Tilman fing an zu trinken.
Er ertrug die Schande nicht – Mutter und Schwestern fragten: *„Wen hast du geheiratet?“* Und dann fütterte Helga das Feuer: Sie stellte ihm eine Freundin vor. Es begann. Er verschwand öfter.
Die Schwestern frohlockten:
*„Na los, jetzt geht die Zugereiste von allein.“*
Anna wurde still, ihr Blick erlosch. Doch sie blieb.
Dann der Donnerschlag: Sie war schwanger. Und Tilman verlangte die Scheidung.
*„Das gibt’s nicht“, sagte die Mutter. *„Ich habe sie dir nicht ausgesucht, aber geheiratet hast du – also leb damit! Willst du gehen – geh. Anna bleibt hier.“*
Zum ersten Mal seit Jahren nannte sie sie beim Namen. Die Schwestern verstummten.
Tilman tobte:
*„Ich bin der Mann, ich entscheide!“*
Doch die Mutter konterte:
*„Ein Mann? Du bist nur ein Junge in Hosen. Ein Mann wirst du, wenn du ein Kind großziehst und ihm Verstand gibst.“*
Tilman knallte die Tür. Anna blieb. Und brachte ein Mädchen zur Welt – Bärbel.
Als Barbara den Namen hörte, sagte sie nichts, nur ihre Augen wurden feucht.
Tilman kam nie zurück. Doch die Enkelin liebte Barbara. Sie schenkte ihr Süßigkeiten, kaufte Spielzeug. Anna gegenüber blieb sie stumm – kein Vorwurf, aber auch keine Vergebung.
Zehn Jahre vergingen. Die Töchter heirateten, das Haus leerte sich. Nur Barbara, Anna und Bärbel blieben.
Tilman zog nach Norden, und ein Witwer, ein ernster Soldat mit eigener Wohnung, begann Anna den Hof zu machen. Sie lehnte ab – aus Rücksicht auf die Schwiegermutter.
Doch er war nicht dumm: Er kam selbst.
*„Ich liebe Anna. Ohne sie kann ich nicht leben.“*
Barbara hörte zu:
*„Dann bleibt. Aber schleppt Bärbel nicht herum. Bleibt hier.“*
Die Nachbarn rasten:
*„Die ist verrückt! Ihren Sohn rausgeworfen und lässt die Fremde mit einem Mann ins Haus!“*
Barbara schwieg. Diskutierte mit niemandem. Stolz und gefasst.
Anna bekam ein zweites Kind – Kathrin. Und Barbara vergötterte ihre Enkelinnen. Doch… wer war Kathrin für sie? Niemand. Doch das Herz gehorcht nicht.
Doch das Unglück kam unerwartet. Anna wurde schwer krank. Ihr Mann verzweifelte, fing an zu trinken. Barbara hob Geld ab, schleppte Anna von Arzt zu Arzt. Vergeblich.
Morgens ging es Anna besser, sie bat um Brühe. Barbara schlachtete ein Huhn, kochte.
Doch Anna konnte nicht essen. Sie weinte. Und Barbara – zum ersten Mal – auch.
*„Warum gehst du, jetzt, da ich dich erst lieben gelernt habe?“*
Sie wischte die Tränen ab:
*„Keine Angst um die Kinder. Ich lass sie nicht im Stich.“*
Anna star**Unerwünscht – und doch dazugehörig**
… Doch zwischen ihren Gräbern wuchs nun eine Birke – niemand hatte sie gepflanzt, sie war einfach gekommen, wie Anna damals, und ihre Blätter rauschten im Wind, als flüsterten sie von Vergebung und einem Zuhause, das erst spät gefunden wurde.