Ein unerwarteter Gast im Gartenhaus: Dieser Abend änderte alles
Liesbeth Meier wollte gerade von der Arbeit nach Hause gehen, als ihr Telefon klingelte. Auf dem Display: ihre Jugendfreundin Gisela aus dem Dorf. Dort besaß Liesbeth ein kleines Gartenhaus, das sie von ihren Eltern geerbt hatte.
„Liesbeth, hallo! Bist du zufällig im Gartenhaus?“ fragte Gisela sofort. „Mein Jüngster war gestern mit Freunden grillen und sagt, bei dir brannte Licht! Jemand muss drin gewesen sein!“
„Ach, Gisela, vielleicht hat er sich getäuscht? Bei Sonnenuntergang spiegelt sich das Licht oft in den Fenstern, als wäre eine Lampe an“, versuchte Liesbeth abzuwinken, doch ein beklemmendes Gefühl stieg in ihr auf.
„Ich wollte dich nur warnen“, erwiderte Gisela und legte auf.
Liesbeth setzte sich an den Schreibtisch, doch sie konnte sich nicht mehr konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten um das Gartenhaus. Was, wenn wirklich jemand eingedrungen war? War die Tür aufgebrochen? Die Fenster heil? Haben sie etwas gestohlen? Obwohl sie sich für ihre Ängstlichkeit schalt, packte sie schnell ihre Tasche und verließ das Büro.
Zu Hause erzählte sie ihrer Tochter, sie würde noch bei einer Freundin vorbeischauen und sich verspäten. Mit dem Bus war das Dorf nur vierzig Minuten entfernt. Als Liesbeth Meier ihr Grundstück erreichte, wurde es bereits dunkel. Ihr Herz schlug wie wild.
Und tatsächlich – in den Fenstern brannte Licht! Zuerst in einem Raum, dann im nächsten. Sie stürmte zum Gartentor. Ein alter, schwarzer Geländewagen stand am Zaun, den sie hier noch nie gesehen hatte.
Als sie das Tor öffnete, erstarrte sie: Vor ihr stand ein fremder Mann mit einer Taschenlampe. Er wirkte verwirrt, aber nicht ängstlich.
„Guten Abend, Frau Meier“, sagte er. „Erschrecken Sie nicht. Mein Name ist Heinrich Bauer. Ich arbeite mit Ihrem Schwiegersohn Thomas zusammen. Er hat mich gerade angerufen – er dachte, Sie könnten hierherkommen und sich erschrecken, wenn Sie einen Fremden im Haus sehen. Wir wollten Ihnen eine Überraschung zum Geburtstag machen…“
„Was für eine Überraschung?!“ rief sie und drängte sich wortlos ins Haus.
Dort war alles in Ordnung. Doch in der Luft lag ein fremder Geruch nach Leim. Im Wohnzimmer erklärte Heinrich unsicher:
„Ich bin Ofenbauer, Thomas kennt mich schon lange. Er sagte, Ihr Kachelofen sei alt, die Steine bröckeln. Zu Ihrem Geburtstag sollte er erneuert werden. Ich habe ihn mit Spezialsteinen ausgekleidet – stabil und schick. Nur heizen können Sie noch nicht, er muss trocknen.“
Erst jetzt sah Liesbeth die Arbeit: Der Ofen war wie neu – gepflegt, ordentlich, schön.
„Das haben Sie alles allein gemacht?“ fragte sie leise.
„Ja“, lächelte Heinrich. „Aber zum Essen bin ich nicht gekommen, ich wollte fertig werden. Wollte gerade meine Thermoskanne holen, da kamen Sie…“
Er packte behutsam sein Werkzeug in den Rucksack, dann nahm er eine Tüte und die Thermoskanne heraus. Man sah ihm an, dass er hungrig war.
„Ich habe belegte Brote mit Schinken dabei. Wenn Sie wollen, trinken wir zusammen Tee. Der letzte Bus ist eh schon weg“, schlug er plötzlich vor.
Liesbeth überlegte, dann nickte sie. Warum nicht? Sie hatte auch noch nicht gegessen.
In der Küche saßen sie nun zu zweit. Der Tee war heiß, die Brote einfach, aber wunderbar schmackhaft. Sie staunte, wie viel Gemütlichkeit in dieser schlichten Begegnung lag.
„Sollen wir uns duzen?“ fragte Heinrich. „Wir sind doch fast gleichaltrig.“
„Einverstanden“, lächelte Liesbeth. Und plötzlich fühlte es sich leicht an.
Als er sie nach Hause fuhr, war ihr klar: Sie würden sich wiedersehen. Tatsächlich trafen sie sich schon am nächsten Abend. Zwei Wochen später lud sie ihn zu ihrer Geburtstagsfeier ein – nur wusste sie nicht, wie sie ihn der Familie vorstellen sollte.
„Ich komme als Überraschung!“ zwinkerte Heinrich. „Die denken ja eh, wir kennen uns nicht.“
An diesem Tag kam Heinrich früher als alle anderen – wieder in dem alten Geländewagen. Als Thomas mit der Familie eintraf, tat Heinrich so, als wäre er ein Fremder. Liesbeth spielte ebenfalls Überraschung, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug.
„Und wer ist das denn?“ fragte sie theatralisch.
„Das ist mein Kollege Heinrich!“ verkündete Thomas stolz. „Er hat unseren Ofen neu gemacht. Eine Pracht, oder?“
„Eine Pracht“, stimmte Liesbeth zu. Und sah ihn so an, wie sie lange niemanden mehr angesehen hatte.
Nachdem die Gäste gegangen waren, blieben sie allein. Heinrich holte einen kleinen Strauß Astern hervor. Am Wegrand gepflückt.
„Entschuldige, mehr gab es nicht. Aber ich wollte dir wenigstens etwas schenken.“
Und plötzlich begriff Liesbeth: Der Herbst war kein Ende. Er konnte ein warmer Anfang sein. Und wenn dieser Altweibersommer unerwartet kam – er war das Schönste, was ihr seit langem widerfahren war.
Astern mochte sie von diesem Abend an für immer.