Echos einer vergessenen Zeit: Die Rückkehr des Vaters

Echo einer vergessenen Vergangenheit: Die Rückkehr des Vaters

Markus knallte die Kühlschranktür zu und wischte sich die Hände an einem Lappen ab.

„So, jetzt läuft er wieder. Sollte frostig werden, aber wir müssen es testen“, sagte er zur Hausherrin. „Haben Sie einen leeren Plastikbehälter? Wir füllen Wasser hinein und stellen es ins Gefrierfach. Ich rufe heute Abend an – wenn es gefroren ist, funktioniert alles.“

In diesem Moment klingelte sein Telefon erneut. Ein neuer Kunde, dachte Markus und hob ab.

„Hallo? Ja, Haushaltsgeräte-Reparatur. Was ist kaputt? Ja, ich bin Markus Weber, falls das wichtig ist. Entschuldigung, was haben Sie gesagt? Mein Vater?“ Die Stimme am anderen Ende ließ ihn erstarren.

Der Mann stellte sich vor – Klaus Weber. Markus begriff: Das war sein Vater, den er seit über zwanzig Jahren nicht gesehen hatte. Erinnerungen brachen über ihn herein, eiskalt und schmerzhaft, fast von der Zeit verwischt.

„Und was… wollen Sie?“ Markus stockte, unsicher, wie er diesen Mann anreden sollte. „Sich treffen? Reden? Klar, sind ja nur zwanzig Jahre vergangen. Entschuldigung, ich bin im Einsatz, rufe später zurück.“ Er beendete das Gespräch und murmelte bitter: „Na wunderbar.“

Jetzt taucht er auf! Bestimmt will er etwas. Was sonst? Ich bin erwachsen, er alt geworden – da sucht er jemanden, der ihn ernährt. Wie alt ist er? Mitte Fünfzig? Wird Geld wollen, klar! Markus lachte hohl und kehrte zur Arbeit zurück.

„Also, alles klar?“ wandte er sich wieder der Hausfrau zu. „Ich rufe später, Sie überprüfen das Wasser. Ist es Eis – alles funktioniert.“

Die Dame bedankte sich, und Markus fuhr zum nächsten Auftrag. Eine ältere Frau hatte ihn gerufen – ihre Waschmaschine leckte. Die Oma war gesprächig, drängte ihn sofort zum Tee mit selbstgebackenen Plätzchen. Das Problem war simpel: Die Türdichtung war abgenutzt. Markus drehte sie um, und das Lecken hörte auf. Ein anderer Handwerker hatte ihr Wucherpreise genannt, doch Markus verlangte nur eine kleine Gebühr – er bereicherte sich nicht an Alten. Fast weinte sie vor Dankbarkeit, beteuerte, so ehrliche Menschen seien selten. Markus lächelte schüchtern, trank seinen Tee und versprach, wiederzukommen, falls etwas kaputtgehe.

Doch seine Gedanken kreisten um den Anruf seines Vaters. Bruchstücke der Vergangenheit tauchten auf. Seine Eltern hatten sich getrennt, als er fünf war. Sein Vater hatte damals getrunken, den Job verloren. Seine Mutter weinte still, glaubte seinen leeren Versprechen. Einmal, als sie Schicht hatte, holte sein Vater ihn vom Kindergarten ab. Unterwegs setzten sie sich auf eine Parkbank, und sein Vater holte eine Bierflasche hervor. Er jammerte, seine Frau schätze ihn nicht, dabei gebe er sich Mühe. Betrunken schlief er ein. Markus schämte sich, schüttelte ihn, doch der Vater wischte ihn weg. Passanten starrten, und der Junge lief allein nach Hause – endlose Straßen, bis eine Nachbarin ihn fand.

Seine Mutter hatte nicht geschrien. Nur leise gesagt:

„Geh. Du hast deinen Sohn allein gelassen. Was für ein Vater bist du?“

Der Vater zog in eine andere Stadt. Manchmal schickte er Geld, Spielzeug. Seine Mutter lächelte spöttisch:

„Wir kommen auch ohne ihn klar, nicht wahr, Markus?“

Als Markus zehn war, lernte er „Onkel Dieter“ kennen.

„Schatz, Dieter möchte mein Mann werden. Er wird für uns sorgen. Sollen wir dir ein neues Fahrrad kaufen?“

Der Stiefvater war kein schlechter Mensch. Aber er wurde nie Markus’ Vater. Ein Teil ihrer Liebe gehörte nun ihm, und Markus fühlte sich fremd.

Abends griff Markus widerwillig zum Telefon, suchte die Nummer seines Vaters und rief an. Der hob sofort ab.

„Markus, lass uns treffen. Morgen, sieben Uhr abend, im alten Park am Brunnen. Geht das?“

„Ja, geht“, knurrte Markus.

Seine Mutter hatte einmal gesagt, Dieter wolle ihn adoptieren, ihm seinen Namen geben. Aber Markus lehnte ab. Er blieb Markus Weber. Eine schwache Verbindung zu seinem Vater. Seine Mutter wollte die Vergangenheit auslöschen, doch Markus wartete. Worauf? Er wusste es nicht. Bis er begriff: Es gab nichts zu erwarten.

Am nächsten Abend ging er zum Park, entschlossen: Wenn der Vater um Geld bat, würde er helfen – aber mehr nicht. Der Vater hatte Pakete geschickt – er würde seine Schuld begleichen, Punkt. Seine Mutter hatte Dieter, sie kümmerte es nicht.

„Ihn schämt’s, deshalb schickt er was“, sagte sie, wenn wieder eine Box kam.

Am Brunnen sah Markus einen älteren Mann. Der stand von der Bank auf und kam auf ihn zu. „Bloß kein ,endlich sind wir vereint‘“, dachte Markus. Und betete, sein Vater säufe nicht mehr.

„Guten Abend, Markus.“ Der Mann streckte die Hand aus.

„Abend.“ Markus schüttelte sie, spürte einen festen Händedruck.

„Ich sag’s gleich“, begann der Vater. „Ich habe deiner Mutter versprochen, zu helfen, aber mich rauszuhalten, solange du klein warst. Sie verachtete mich, du hattest Angst. Also ging ich. Anfangs fand ich keine Arbeit, soff vor Heimweh. Bis ich nach einer Sauftour fast draufging. Eine Krankenschwester pflegte mich – sie wurde meine Frau. Ihre Tochter Anna zog ich wie mein eigenes Kind auf. Reparierte alles – Autos, Geräte. Gründete eine Firma. Doch du bist erwachsen. Ich wollte dich sehen. Du bist mein einziges Blut. Ich möchte dich um etwas bitten…“

Markus wartete ab. Gleich kommt die Bitte um Geld. Alles wie erwartet. Doch sein Vater sah nicht wie ein Trinker aus – ordentlich, klarer Blick. Seine Augen, seine Ohren, sogar die Art, wie er die Hände in den Taschen hielt – genau wie Markus. Hätte sein Vater sein können.

„Markus, ich habe eine Werkstatt“, fuhr der Vater fort. „Wir sind vom gleichen Schlag. Ich bin nach Flussstadt zurückgekommen, mit meiner Familie. Will hier expandieren – und dich als Partner. Denk drüber nach, Sohn. Ich weiß, ich bin ein Fremder. Aber ich möchte dir geben, was ich damals nicht konnte. Als Vater für dich da sein.“

Markus war sprachlos. Er hatte alles erwartet – nur nicht das. Kein Betteln, sondern ein Angebot. Tage später sagte er zu.

Langsam lernte Markus seinen Vater neu kennen. Der Groll verblasste. Die gemeinsame Arbeit verband sie wie fehlende Puzzleteile. Heute repariert Markus nicht mehr allein. Sie führen eine große Werkstatt. Für Senioren gibt es immer Rabatt.

Und Markus machte seiner Freundin Leonie einen Antrag. Zwei Jahre waren sie zusammen, doch er hatte gezögert. Jetzt wusste er: Er war bereit, Ehemann, Vater, Familienoberhaupt zu sein.

In jener Nacht sagte sein Vater:

„Ich war dumm, habe mich verloren. Es entschuldigt nichts – auch nicht das Alter. Man muss ein Mensch sein.“

Markus verzieh. Solange man lebt, lässt sich vieles gutmachen.

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