Der geheime Anruf, der alles veränderte

Ein geheimnisvoller Anruf, der alles veränderte

An einem trüben Herbstmorgen bereitete sich Sebastian auf einen Ausflug mit seinen Freunden vor. Der Wald vor den Toren Münchens lockte mit seiner Stille und dem Duft von Tannennadeln, ein willkommener Moment der Entspannung. Gerade als er seinen Rucksack packte, klingelte sein Telefon. Ohne auf den Bildschirm zu schauen, ging er ran, erwartete, wie immer, einen seiner Kumpels.

„Hallo?“, warf er hin, während er den Reißverschluss zuzog.

„Guten Tag“, erklang eine fremde Frauenstimme, sanft, aber mit einem Hauch von Nervosität. „Spreche ich mit Sebastian?“

Er runzelte die Stirn, überzeugt, es sei wieder eine Werbeanruferin. Ohne sie ausreden zu lassen, legte er auf und machte weiter. Doch das Telefon klingelte erneut. Diesmal warf er einen Blick auf die Nummer – unbekannt. Genervt fauchte er:

„Ich habe kein Interesse an Ihren Angeboten!“

„Sebastian, es geht nicht darum“, antwortete die Stimme leise, aber bestimmt. „Es ist etwas Wichtiges. Es geht um Sie… und um mich.“

Sebastian erstarrte. Etwas in ihrem Ton ließ ihn aufhorchen. Langsam setzte er sich auf die Couch, spürte, wie sein Herz schneller schlug.

„Wer sind Sie? Und worum geht es?“

Eine Pause entstand, dann zitterte ihre Stimme:

„Ich heiße Lina. Ich bin dreiundzwanzig. Und ich… ich glaube, ich bin Ihre Tochter.“

Sebastian spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Tochter? Ein Scherz? Betrüger? Doch tief in ihm regte sich etwas – eine vage Erinnerung, die er längst begraben hatte.

Mit dreiundfünfzig Jahren war Sebastian ein erfolgreicher Ingenieur, Abteilungsleiter in einem großen Unternehmen. Er hatte Freunde, mit denen er seit Schulzeiten in Kontakt war, und den Ruf eines Lebenskünstlers. Doch eine eigene Familie hatte er nie gegründet. In seiner Jugend war er nicht der Typ für feste Bindungen gewesen, wechselte Partnerinnen wie Handschuhe. Frauen mochten sein charismatisches Wesen, und er war nie um Bewunderer verlegen. Liebe war für ihn lange nur ein Spiel gewesen.

Mit vierzig begann er, über die Zukunft nachzudenken. Die Jugend verblasste, und das einst so geschätzte Alleinsein wurde zur Last. Dann traf er Claudia – klug, schön, die erste Frau, mit der er sich ein Leben vorstellen konnte. Sie planten sogar eine Hochzeit, bis sie ihn eines Tages für einen anderen verließ. Sebastian war am Boden zerstört. Für ihn fühlte es sich wie Strafe an – für all die Herzen, die er einst gebrochen hatte.

Danach gab es keine ernsten Beziehungen mehr. Kurze Affären kamen und gingen, ohne Spuren zu hinterlassen. Mit fünfzig hatte er sich damit abgefunden: Keine Frau, keine Kinder. Er malte sich aus, wie er einsam alt werden würde, vielleicht mit einem Hund, grantig über die Jugend im Park. Der Gedanke bedrückte ihn, doch er verdrängte ihn, suchte weiter nach „der Einen“ und hielt Kontakt zu seinen Freunden. Deren Familien waren ihm fast wie eigene, auch wenn er sich auf ihren Feiern zunehmend fehl am Platz fühlte.

Verwandte hatte Sebastian kaum noch. Seine Eltern waren tot, Geschwister hatte er nie gehabt. Nur eine entfernte Cousine und deren Sohn, die er einmal im Jahr sah. Das Leben verlief in ruhigen Bahnen, und er erwartete keine Veränderungen mehr. Doch dieser Anruf warf alles über den Haufen.

„Lina? Meine Tochter?“, wiederholte er, noch immer ungläubig. „Wie kommst du darauf?“

Sie zögerte, als müsse sie Mut sammeln.

„Meine Mutter hieß Julia. Julia Bauer.“

Der Name traf ihn wie ein Schlag. Sebastian schloss die Augen, und plötzlich tauchten Erinnerungen auf. Mit dreißig war er voller Charme und Tatendrang gewesen. Eine Dienstreise führte ihn nach Augsburg. Nach Feierabend war er in ein Café gegangen, wo zwei Frauen saßen, lachend und lebhaft plaudernd. Selbstbewusst gesellte er sich dazu. Eine der beiden, Kathrin, ging bald, aber Julia blieb.

Julia war damals Studentin, frisch von der Uni. Sie unterhielten sich, lachten, streiften durch die nächtliche Stadt. Ehe er sich versah, landeten sie in ihrer kleinen Wohnung. Die drei Tage der Dienstreise vergingen wie im Flug. Jeden Abend waren sie zusammen, und Sebastian fühlte sich lebendiger als je zuvor. Als er abreisen musste, bot er ihr an, Nummern auszutauschen, doch Julia lehnte ab.

„Wir haben keine Zukunft“, sagte sie mit traurigem Lächeln. „Das hier war einfach schön.“

Er hinterließ ihr trotzdem seinen Namen – für den Fall, dass sie es sich anders überlegte. Doch nach einem Monat hatte er sie vergessen, vertieft in ein neues Abenteuer. So war er damals – unbekümmert, nur im Moment lebend.

„Sebastian, sind Sie noch da?“, holte ihn Linas Stimme zurück.

„Ja…“, presste er hervor. „Warum glaubst du, ich sei dein Vater?“

„Mama hat es mir erzählt“, flüsterte Lina. „Sie ist vor zwei Monaten gestorben. Eine Krankheit… Wir haben es zu spät erfahren. Aber vor ihrem Tod sprach sie über Sie. Nannte Ihren Namen, zeigte ein altes Foto. Von damals, in Augsburg. Ich habe Sie in den sozialen Medien gefunden, dann Ihre Nummer.“

Sebastian schwieg, versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Julia war tot. Und er hatte nie gewusst, dass er eine Tochter hatte.

„Warum hat sie mir nichts gesagt?“, fragte er fast tonlos.

„Mama meinte, Sie wären nicht der Typ für Familie gewesen. Sie wollte Ihnen keine Last sein. Sagte, sie würde allein klarEr nahm Linas Hand in seine und lächelte durch die Tränen – endlich hatte er gefunden, wonach er sich sein ganzes Leben lang gesehnt hatte.

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Der geheime Anruf, der alles veränderte
Als die Liebe ging – und die Erkenntnis kam