Herzschmerz: Meine Mutter denkt nur an mich, wenn sie etwas braucht
Ich heiße Gisela. Mit 29 Jahren trage ich eine Wunde in meiner Seele, die nicht heilen will. Meine Mutter, Elfriede Schmidt, ruft mich nur an, wenn sie Hilfe braucht. Jedes Mal, wenn ihr Name auf dem Telefon aufleuchtet, fühlt es sich an, als würde man eine alte Narbe aufreißen. Sie fragt nicht, wie es mir geht, was ich mir wünsche oder ob ich glücklich bin. Ihre Stimme erklingt nur, wenn sie etwas braucht – und danach folgt eine Stille, die tiefer schmerzt als jedes Wort. Warum sieht sie in mir nicht ihre Tochter, sondern nur eine Lösung für ihre Probleme?
Ihre Kälte ist mir vertraut, doch der Schmerz bleibt. Jedes Gespräch beginnt mit Vorwürfen: „Gisela, warum meldest du dich nie? Hast du deine Mutter ganz vergessen?“ Dann, wie nach Drehbuch, folgt ihre Bitte – mal Geld, mal Hilfe, mal irgendetwas anderes. Mein Leben, meine Gefühle interessieren sie nicht. Alles dreht sich nur um ihre Belange. So war es schon in meiner Kindheit. Sie wusste nie, was ich liebte, wovon ich träumte oder wer meine Freunde waren. Ihre einzige Frage lautete: „Läuft es in der Schule?“ Wärme und Liebe bekam ich nur von meiner Oma, die mir zur wahren Familie wurde.
Als ich 18 war, packte meine Mutter meine Sachen und sagte kühl: „Ich habe meine Pflicht erfüllt. Jetzt leb dein eigenes Leben.“ Diese Worte hallen bis heute in mir nach. Ich zog zu meiner Oma in ein kleines Dorf bei München. Sie bestand darauf, dass ich studierte und nicht nebenher arbeiten musste. Wir lebten bescheiden von ihrer Rente und ihrem Ersparten, aber ich fühlte mich zu Hause. Meine Mutter meldete sich nicht. Es war, als hätte es mich nie gegeben.
Ich schloss das Studium ab, fand eine Anstellung. Meine Oma war mein Schutzengel, doch fünf Jahre später verlor ich sie. Vor ihrem Tod schenkte sie mir ihre Wohnung, damit meine Mutter mich nicht wieder auf die Straße setzen konnte. Bei der Beerdigung war sie anwesend, doch ihre Anwesenheit war leere Formalität. Keine Umarmung, kein Trost. Danach blieb ich in Omas Wohnung und versuchte, mein Leben aufzubauen.
Zwei Jahre lang hörte ich nichts von meiner Mutter. Dann rief sie plötzlich an. Wir sprachen – selten, verhalten. Ich hoffte, sie hätte sich geändert, doch nach drei Monaten bat sie mich, einen Kredit für sie aufzunehmen. Die Bank hatte sie abgelehnt, also sollte ich ihre Probleme lösen. Ich lehnte ab – nicht aus mangelnder Hilfsbereitschaft, sondern weil ich Banken misstraue und keine Schulden machen wollte. Danach verschwand sie wieder. Über ein Jahr herrschte Schweigen.
In dieser Zeit änderte sich mein Leben. Ich lernte Friedrich kennen. Wir verliebten uns und heirateten nach einem halben Jahr. Die Hochzeit war klein, doch glücklich. Meine Mutter kam nicht – sie war nicht erreichbar. Erst sechs Monate später erfuhr sie von meiner Ehe, als sie selbst anrief. „Gisela, du bist verheiratet?“, rief sie überrascht, um uns sogleich einzuladen. Ich, die Dumme, glaubte wieder, sie wolle die Beziehung heilen. Doch kaum betraten wir ihre Wohnung am Stadtrand, sprach sie nur noch vom nötigen Renovieren. Ihre Andeutungen waren deutlich: Sie erwartete, dass wir es bezahlten.
Ich sagte ehrlich, dass wir weder Geld noch Zeit hatten – wir sparten selbst für unsere kleine Wohnung. Meine Mutter runzelte die Stirn und verschwand erneut. Diesmal für ein Jahr. In dieser Zeit wurde ich Mutter. Friedrich und ich bekamen eine Tochter, Lieselotte. Meine Mutter erkundigte sich nie nach mir oder ihrer Enkelin. Sie weiß nicht, wie Lieselotte aussieht, nicht, wie ich mich als Mutter schlage. Es kümmert sie einfach nicht.
Ich bin müde, immer wieder denselben Fehler zu begehen. Jeder Anruf ist eine Hoffnung, die zerbricht und nur Schmerz hinterlässt. Ich habe entschieden: Schluss damit. Warum soll ich mich mit etwas quälen, das mir nur Tränen bringt? Ich will meine Familie, meine Tochter, mein Herz schützen. Doch irgendwo in mir wartet noch immer das kleine Mädchen, das hofft, ihre Mutter würde einmal ohne Grund anrufen und sagen: „Gisela, ich liebe dich.“ Kann das wirklich zu viel verlangt sein?