„Ihr habt ihn selbst so gemacht, und jetzt sollen wir den Schlamassel ausbaden?“ — Warum Sabine ihren Bruder nicht in ihre Wohnung ließ
In jeder Familie gibt es irgendwann Streit. Mal geht es um Geld, mal um Besitz. Doch in Sabines Familie aus München eskalierte alles, als sie und ihr Mann sich weigerten, ihrem Bruder und dessen schwangerer Frau kostenlos eine Bleibe zu bieten. Darüber war ihre Mutter, Helga Schmidt, tief gekränkt — dieselbe, die ihren Sohn jahrelang wie ein rohes Ei behandelt hatte und nun verlangte, die Familie solle „zusammenhalten“.
Alles begann vor langer Zeit. Sabine war zwölf, als ihr Vater starb. Für sie war es eine Tragödie, denn sie hatte ihn abgöttisch geliebt. Ihr kleiner Bruder Tom war gerade sieben, und von da an konzentrierte Helga ihre ganze Fürsorge auf ihn. Sie war überzeugt, er leide am meisten, und umgab ihn mit übertriebener Behütung, sodass er nie erwachsen werden konnte.
Während Sabine Böden schrubbte, Suppe kochte und wusch, lag Tom auf dem Sofa mit seinem Tablet. Sie wurde von Kindheit an mit Pflichten überhäuft, während er „noch zu klein“ war — und das erklärte alles. Selbst als Sabine ihr Studium begann, nannte Helga sie egoistisch. Sie musste jobben, um ihr Zimmer, Essen und Studiengebühren selbst zu bezahlen.
Sabine kämpfte sich frei. Sie fand eine gute Stelle, lernte Markus kennen — einen zuverlässigen, fleißigen Mann, drei Jahre älter. Er wurde schnell ihr Halt, und als er ihr einen Heiratsantrag machte, zögerte sie nicht. Die Hochzeit war bescheiden, aber herzlich. Die beiden beschlossen: Nicht bei Verwandten wohnen, lieber mieten, aber unter eigenen Bedingungen. Sie sparten für eine eigene Wohnung.
Als Markus‘ Vater starb, war seine Mutter untröstlich. Ihre Schwester, die in Thessaloniki lebte, lud die Witwe ein, am Meer zu genesen. Die Frau willigte ein — sie brauchte Abstand. In München besaß sie eine geräumige Vierzimmerwohnung. Markus und Sabine schlugen vor: „Lass uns die Wohnung vermieten, wir schicken dir das Geld und kümmern uns um alles.“ Die Schwiegermutter war gerührt. So begann es: die Vermietung, regelmäßige Überweisungen, Verständnis. Nach einem Jahr bot sie an, die Wohnung auf Markus zu überschreiben. „Ihr seid verlässlich und gut. Das soll eure Sicherheit sein.“
Während die einen hart arbeiteten, verfielen die anderen. Sabines Bruder Tom hatte mit 25 noch nichts erreicht. Kein fester Job, lebte bei der Mutter. Dann die überraschende Nachricht: Seine 18-jährige Freundin, die er erst seit zwei Monaten kannte, war schwanger. Helga, die früher jeden Konflikt mit Vorwürfen erstickte, stritt nun ständig mit der jungen Schwiegertochter. Die Atmosphäre wurde unerträglich.
Dann erfuhr Helga, dass die Wohnung in der Innenstadt nun Markus gehörte. Wie auf Kommando erschien sie mit Pralinen und selbstgemachter Marmelade. Sie lächelte, nannte Markus „Söhnchen“, Sabine „meine Freud“. Die Absicht war klar: Sie kam, um zu bitten.
„Sabine, du verstehst doch, Tom hat es schwer. Junge Frau, Baby unterwegs. Ihr könnt helfen — lasst sie doch bei euch wohnen. Ihr kommt auch ohne die Mieteinnahmen klar. Familie muss zusammenhalten“, sagte Helga mit honigsüßer Stimme.
Doch Sabine seufzte nur:
„Mama, du hast ihn so gemacht. Er hat nie gearbeitet, weil du ihn nicht musstest. Nie Verantwortung übernommen, weil du alles für ihn entschieden hast. Du hast einen ‚Kind‘ erzogen, das jetzt 25 ist. Und jetzt sollen wir dafür bezahlen? Nein. Markus und ich tilgen unseren Kredit, und die Miete ist unsere einzige Möglichkeit. Wir sind niemandem etwas schuldig.“
„Ich habe mein Leben für dich gegeben! Und du dankst es mir so? Nicht mal deinem Bruder helfen?!“, fuhr Helga auf.
„Du hast nie dein Leben für mich gegeben, Mama. Ich habe mir alles selbst aufgebaut. Selbst gearbeitet, selbst studiert, selbst überlebt. Tom ist deine Verantwortung. Und dein Fehler. Also kümmere dich bitte selbst darum, wo er wohnt.“
Seit jenem Abend spricht Helga nicht mehr mit ihrer Tochter. Sabine leidet, aber sie weicht nicht zurück. Sie weiß: Gibt sie einmal nach, werden sie und Markus wieder die Dummen sein. Der Bruder „wohnt nur kurz“, dann „bis das Kind größer ist“, dann „bis der Kindergartenplatz da ist“ — und so weiter, jahrelang. Und ihr Leben?
Hatte sie recht? Manche sagen — zu hart. Andere — vernünftig. Aber Sabine ist sicher: Verwandtschaft ist kein Freifahrtschein für ein kostenloses Leben. Besonders nicht, wenn jemand jahrelang zur Verantwortungslosigkeit erzogen wurde.