Der unerwartete Geschenk nach dem Abschied

28 Jahre lang führte Anna Müller mit ihrem verstorbenen Mann Karl eine glückliche Ehe – doch nie hatte er ihr ein Geschenk gemacht. Bis eines Morgens, nach seinem Tod, ein Paket vor der Tür stand. Darin fand sie eine Erklärung, warum er ihr nie etwas geschenkt hatte.

Als Anna Karl Hoffmann heiratete, war sie sicher, die beste Entscheidung ihres Lebens getroffen zu haben. Sie hatten sich kennen gelernt, als Karl, ein Möbelpacker, neue Stühle in das Hotel lieferte, in dem Anna an der Rezeption arbeitete. Seine Warmherzigkeit und die Freude an kleinen Dingen bezauberten sie – so sehr, dass sie ihm schließlich selbst einen Antrag machte. Obwohl sie nicht viel Geld hatten, war Karl immer voller Liebe, und Anna fühlte sich als die glücklichste Frau der Welt.

Jahre später erbte Karl die Möbelwerkstatt seines alten Chefs, des kinderlos gebliebenen Meisters Friedrich. Unter Karls Leitung florierte das Geschäft – doch eine Sache trübte Annas Glück: Ihr Mann schenkte ihr nie etwas. In den ersten Jahren hatte sie das hingenommen, doch selbst als es ihnen besser ging, blieb es bei Nichts – weder zum Jubiläum noch zu ihrem Geburtstag. Dabei war Karl großzügig zu anderen: Er spendete, verwöhnte die Kinder mit Spielzeug und Markenklamotten, aber ihre vorsichtigen Hinweise auf ein kleines Geschenk blieben unbeantwortet.

Einmal, beim Kaffeetrinken mit Freundinnen in einem gemütlichen Café am Rhein, sah Anna neidisch zu, wie ihre Freundinnen prahlten. Eva zeigte stolz eine goldene Kette, und Sabine erzählte von spontanen Blumensträußen, die ihr Mann schickte. Als sie fragten, was Karl ihr geschenkt hatte, log Anna mit brüchiger Stimme: »Wir haben beschlossen, unsere Liebe durch Taten zu zeigen, nicht durch Geschenke.« Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu weinen.

Irgendwann deutete Anna vorsichtig auf eine Saphirbrosche, die sie sich schon lange wünschte – vielleicht zu ihrem nächsten Jubiläum? Doch das Schicksal hatte andere Pläne: Zwei Tage vor dem Tag erhielten sie die Diagnose – fortgeschrittener Krebs. Nur noch wenige Monate. Anna vergaß ihre Wünsche und kümmerte sich rührend um ihn. Sieben Monate später war er tot.

Zehn Tage nach Karls Tod, an ihrem 28. Hochzeitstag, stand ein geheimnisvolles Paket vor der Tür: »Für Anna – von Karl«. Darin lag ein Brief und ein Adventskalender mit 24 Türchen – für jedes gemeinsame Jahr eines. Als sie den Brief las, kullerten Tränen über ihre Wangen.

»Meine liebe Anna«, stand dort, »alles Gute zum 28. Jahrestag. Verzeih mir, dass ich dir nie etwas geschenkt habe. Du weißt, wie schwer meine Kindheit war. Nach Vaters Tod nahm mir die Stiefmutter alles, was er mir hinterlassen hatte. Ich schwor mir: Nie würde ich eine Frau heiraten, die mich nur des Geldes wegen liebt. Selbst als es uns besser ging, hatte ich Angst, Geschenke könnten die Reinheit unserer Gefühle trüben. Doch ich lag falsch. Ich merkte nicht, wie sehr ich dich verletzte. Als du die Saphirbrosche erwähntest, bat ich einen Freund, diesen Kalender zu machen. Vielleicht bringt er dir Freude. Der Tod trennt uns, doch meine Liebe bleibt. Dein (gar nicht so geiziger) Karl.«

In den folgenden Tagen öffnete Anna ein Türchen nach dem anderen. Sie fand die ersehnte Brosche, Tickets nach Berlin (wo sie Flitterwochen verbracht hatten), ihr Lieblingsparfüm, eine Perlenkette – für jedes Jahr ein Geschenk, mit so viel Liebe ausgewählt, dass es ihr war, als höre sie Karls Stimme.

Zwar war er fort, aber jedes Geschenk, wie ein Echo seiner Seele, erinnerte sie daran: Er hatte sie immer geliebt – auf seine eigene, stille Art.

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Das Geheimnis hinter dem alten Foto