Zehn Jahre der Stille: Wie mein Mann seiner Schwiegermutter ein Wort nicht verzeihen kann

Zehn Jahre Schweigen: Wie mein Mann meiner Schwiegermutter ein Wort nicht verzeihen kann

Wir sind seit fünfzehn Jahren verheiratet. Unser Sohn wächst heran, wir haben ein gemütliches Haus in einem Dorf in Brandenburg – alles eigentlich wie bei anderen. Doch es gibt einen Riss, der mit jedem Jahr tiefer wird. Dieser Riss ist zwischen meinem Mann Markus und meiner Mutter.

Vor zehn Jahren gab es einen Streit zwischen ihnen. Ein Wort, eine Geste, eine plötzliche Wut. Ich weiß nicht mehr genau, was es war – vielleicht hat sie etwas unbedacht gesagt, vielleicht hat er es zu persönlich genommen. Aber Markus hat es sich gemerkt. Und nie verziehen. Zehn Jahre sind seither vergangen. Zehn Jahre eisiges Schweigen, stur ignoriert, als ob sie Luft wäre.

Jetzt wird meine Mutter älter. Sie lebt allein in einer alten Plattenbauwohnung in Leipzig. Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben, und seitdem hat sie niemanden mehr, der ihr hilft. Die Elektrik funktioniert nur noch halb, die Waschmaschine ist längst kaputt, der Küchenboden gibt langsam nach. Ich flehe Markus an, wenigstens mal vorbeizuschauen, vielleicht einen Nagel einzuschlagen. Doch er sagt nur mit steinerner Miene:
„Wenn du willst, fahr doch selbst. Ich setze keinen Fuß mehr in ihre Wohnung.“

Man kann nicht sagen, dass er ein schlechter Mensch ist. Markus ist ein liebevoller Vater, ein fürsorglicher Ehemann, zuverlässig in seinem Job. Aber wenn er sich einmal verletzt fühlt – selbst unabsichtlich – dann streicht er diese Person einfach aus seinem Leben. Und mit jedem Jahr wird seine Unversöhnlichkeit zu einer Mauer, die niemand durchdringen kann. Ich verstehe nicht, wie es sein kann, dass er selbst vor Alter und Krankheit keinen Schritt auf sie zugehen will.

Meine Mutter beschwert sich nie, aber ich sehe, wie schwer es ihr fällt. Sie versucht, stark zu bleiben, will nicht, dass ich zwischen den Stühlen sitze. Doch es wird immer härter für sie. Mal geht der Blutdruck hoch, mal zwickt das Herz. Die Medikamente sind teuer, und auf einen Arzttermin wartet man wochenlang. Ich organisiere Handwerker, schleppe Einkaufstüten, bezähle die Nebenkosten. Doch in mir wächst die Angst: Was, wenn morgen etwas passiert und niemand da ist?

Ich habe mit Markus geredet, habe ihn gebeten, es noch einmal zu versuchen. Ich sagte ihm, dass das Leben endlich ist und dass sie vielleicht nicht mehr viel Zeit hat. Er hört zu, nickt, und dann kommt immer das Gleiche:
„Hör auf mit den emotionalen Appellen. Sie wusste, was sie tat.“

Übrigens hat meine Schwiegermutter mich schon vor der Hochzeit gewarnt:
„Markus kann sehr nachtragend sein. Wenn er sich einmal verletzt fühlt, vergisst er das nicht. Sei darauf vorbereitet.“
Damals habe ich nur gelacht:
„Liebe überwindet alles.“
Doch jetzt lebe ich seit zehn Jahren mit diesem Charakter. Die Liebe mag stark sein – aber allmächtig ist sie nicht.

Wegen dieser Art haben wir kaum Freunde. Mit dem einen gab es Streit wegen einer Kleinigkeit, der andere war mal unaufmerksam. Die meisten Verwandten haben sich längst zurückgezogen. Ich halte alles zusammen. Aber meine Kraft schwindet. Und dann ist da noch unser Sohn – ich habe Angst, dass er sich ein Beispiel an seinem Vater nimmt. Dass er lernt, nicht zu vergeben, sondern alles in sich hineinzufressen. Ich will nicht, dass mein Kind mit einem Stein im Herzen aufwächst.

Bald muss ich eine Entscheidung treffen. Meine Mutter schafft es nicht mehr allein. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Aber ich will auch meine Familie nicht verlieren. Obwohl ich manchmal das Gefühl habe, nicht mehr Ehefrau, sondern nur noch eine Art Haushaltshilfe zu sein: rechtzeitig kochen, zuhören, bloß nichts verlangen. Und dabei will ich gar nicht viel – nur ein bisschen Menschlichkeit für meine Mutter.

Ich weiß nicht, was kommen wird. Vielleicht gibt er eines Tages nach. Vielleicht aber auch nicht. Eins habe ich gelernt: Liebe bedeutet nicht nur Geduld. Sie bedeutet auch Verständnis und Vergebung. Und wer nicht vergeben kann, der kann auch kalt werden. Und damit – da bin ich mir sicher – komme ich nicht mehr klar.

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