„Hallo, meine Tochter, ich habe mir wehgetan… Komm bitte und hilf mir“ – Ich wusste nicht, was ich sagen sollte

»Hallo, Tochter, ich bin hingefallen… Komm bitte, hilf mir«: Ich wusste nicht, was ich antworten sollte

Der Tag begann wie jeder andere. Morgen, Büro, eine warme Tasse Kaffee und das monotone Warten auf Neuigkeiten aus der IT-Abteilung: Das System war abgestürzt, und niemand von uns konnte weiterarbeiten. Normalerweise sind solche Pannen ein Grund für Ärger, doch damals seufzte ich fast erleichtert, als ich auf den Monitor starrte: Wenigstens musste ich für eine Stunde nicht denken, entscheiden, schnell abliefern. Ich saß am Schreibtisch, blätterte im Handy durch irgendetwas, als es plötzlich klingelte.

Eine unbekannte Nummer. Die Stimme am anderen Ende – zitternd, leise, mit kaum verhaltener Schmerz:

»Hallo… Tochter? Bist du es?… Ich bin gefallen… Bitte komm… Es tut so weh…«

Ich erstarrte. Ich erkannte die Stimme nicht. Aber ich konnte auch nicht auflegen. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: Vielleicht ein Irrtum? Vielleicht geht es ihr wirklich schlecht, und ich bin ihre letzte Hoffnung?

»Entschuldigung… Wer sind Sie? Sie haben sich sicher verwählt…«, begann ich vorsichtig.

Dann Stille. Dann eine kaum hörbare Stimme:

»Verzeihen Sie… Ich dachte, es wäre meine Tochter… Aber wenn Sie könnten… Bitte helfen Sie. Ich bin gestürzt. Mein Bein ist gebrochen, glaube ich. Ich kann nicht aufstehen…«

Ich überlegte nicht lange. Ich bat um die Adresse. Es war nur ein paar Straßen von meinem Büro entfernt. Sofort sagte ich meiner Chefin Bescheid, dass ich dringend wegmusste, und rief unterwegs den Notarzt.

Als ich die Tür ihrer Wohnung öffnete, war sie nicht verschlossen – sie musste sie offen gelassen haben, in der Hoffnung, dass jemand käme. Im Flur lag eine ältere Frau auf dem Boden. Ihr Blick war von Schmerz getrübt, eine Hand presste sie gegen ihr Knie, das bereits anschwoll und sich bläulich verfärbte. Sie hieß Margarete Schumacher. Sie hatte versucht, den Staub auf dem Schrank abzuwischen, war auf einen wackeligen Hocker gestiegen – der hielt nicht – und gestürzt.

Ich kniete mich neben sie, nahm ihre Hand. Kalt, zitternd.

»Alles wird gut. Sie sind nicht allein. Die Ärzte kommen gleich. Halten Sie durch.«

Sie schluchzte leise. Ich legte ihr ein nasses Handtuch aufs Knie, streichelte ihr über das Haar, versuchte einfach da zu sein – bis der Krankenwagen kam. Als sie auf die Trage gehoben wurde, fand ich in ihrem Telefon den Kontakt »Meine Lina« und rief an. Ich erklärte, in welches Krankenhaus sie gebracht wurde, sagte, ich würde die Tür abschließen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen.

Als ich zurück im Büro war, zitterte ich. Zuerst vom Adrenalin. Dann von den Gedanken. Was, wenn ich nicht rangegangen wäre? Was, wenn ich aufgelegt hätte, weil ich dachte, es sei ein Fehler oder Werbung? Dann was? Wie lange hätte sie allein auf dem kalten Boden gelegen?

Am nächsten Tag besuchte ich Margarete Schumacher im Krankenhaus. Sie hatte einen Gips am Bein, aber lächelte. Wir unterhielten uns. Später lernte ich ihre Tochter Lina kennen. Heute sind unsere Familien befreundet, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Es waren zwei der herzlichsten, aufrichtigsten Frauen, die ich je kennengelernt habe.

Manchmal denke ich an diesen Anruf. An die zitternde Stimme, an das Wort »Tochter«, das ins Nichts gesprochen wurde. Wie eine falsche Nummer zu einer Brücke zwischen zwei völlig fremden Welten wurde. Und daran, wie wichtig es ist, einfach da zu sein. Manchmal – sogar für einen völlig Fremden.

Und ich hoffe sehr, wenn jemand aus meiner Familie je in so eine Situation gerät – dass dann auch jemand da ist, der einfach sagt: »Ich bin bei Ihnen. Ich helfe.«

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Schatten des Verrats