Also, die Schwiegertochter liegt im Krankenhaus und mein Mann und ich kommen kaum noch klar mit den Enkeln. Das hat sie mit Absicht gemacht, um bloß ins Krankenhaus zu flüchten!
„Mein Sohn sagt zu mir: ‚Mama, du siehst doch, wie die Lage ist – nur du kannst uns helfen!‘“, erzählt die sechzigjährige Helene Müller verbittert.
„Meine Schwiegertochter, Lisa, ist plötzlich ‚krank‘ geworden – Fieber, Schnupfen, Halsschmerzen, und nach zwei Tagen konnte sie weder riechen noch schmecken. Natürlich konnte sie die Kinder nicht mitnehmen. Mein Sohn, Tobias, ist von morgens bis abends auf Arbeit. Und dann entscheidet Lisa, dass sie dringend ins Krankenhaus muss! Also haben wir die Enkel zu uns genommen. Jetzt sind schon zwei Wochen rum, und mein Mann und ich sind total am Ende!“
„Aber sie hat sich doch nicht selbst eingewiesen, oder? Die Ärzte haben sie ja nicht ohne Grund aufgenommen. Klingt, als hätte sie ernsthafte gesundheitliche Probleme, wenn sie unter Beobachtung bleibt…“
„Ach, Unsinn! Einundvierzigster Monat – was soll denn da sein? Sie muss einfach gebären, mehr nicht! Gibt doch keinen anderen Weg! Beim letzten Mal hat sie so schnell entbunden, dass sie kaum noch rechtzeitig in die Klinik gekommen ist. Aber jetzt sagen die Ärzte, sie müsse vorsichtig sein, alle zwei Jahre ein Kind – das sei zu kurz. Und jetzt liegt sie seit zwei Wochen im Krankenhaus: entspannt, dreht sich von einer Seite auf die andere, guckt Serien und wartet auf die Wehen. Und wir hier leiden mit ihren Kindern!“
„Verstehe…“
„Ehrlich gesagt, ich kann nicht mehr, ich bin komplett fertig. Den ganzen Tag laufe ich wie ein Huhn ohne Kopf! Abends kommt mein Mann, übernimmt die Enkel, und ich falle einfach nur noch um. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte!“
Helene Müller und ihr Mann, Klaus, kümmern sich um zwei Enkel, bald kommt der dritte hinzu. Die Kinder sind erst vier und zwei Jahre alt – absolute Winzlinge. Sie waren noch nie so lange ohne ihre Mutter. Wenn Lisa früher mal wegmusste, hat sie immer ihre eigene Mutter um Hilfe gebeten, die andere Oma.
Beim letzten Mal, als sie nur den einen Sohn hatten, ging es plötzlich los. Sie hat gerade noch ihre Mutter angerufen und das Kind bei der Nachbarin gelassen. Lisas Mutter kam schnell, und nach anderthalb Stunden hatte Lisa schon entbunden.
Vor einem halben Jahr haben Tobias und Lisa die Eltern mit der Neuigkeit überrascht: Sie erwarten ein drittes Kind.
„Da hab ich Tobias direkt gefragt: Wollt ihr einen Rekord aufstellen? Warum so eilig?“, erinnert sich Helene. „Und er sagt nur: ‚Mama, keine Sorge, wir wissen, was wir tun!‘ Ich hab nicht weiter diskutiert – wozu? Wenn bei ihnen alles gut läuft, heißt es: ‚Lasst uns in Ruhe, wir schaffen das schon.‘ Aber sobald es Probleme gibt: ‚Mama, hilf uns, wir haben niemanden sonst!‘ Und das ist erst der Anfang!“
Der Ältere ging eigentlich in den Kindergarten, aber Lisa hat ihn abgemeldet, um Krankheiten zu vermeiden. Helene will das Kind nicht quer durch Hamburg fahren. Sie bleibt mit den Kindern zu Hause, und die ganze Verantwortung liegt bei ihr. Klaus arbeitet und kommt erst abends heim. Die Enkel sind total wild, ständig gibt es Streit. Der einzige Ausweg ist der Fernseher mit Zeichentrickfilmen. Aber selbst in den seltenen ruhigen Momenten glaubt Helene noch Kindergekreische zu hören.
„Die Kinder sind null selbstständig! Können sich weder an- noch ausziehen. Der Kleine trägt noch Windeln, keiner hat ihm beigebracht, mit dem Löffel zu essen – überall Essen! Ich verstehe nicht, warum sie ein drittes Kind wollen, wenn Lisa mit zwei schon überfordert ist. Ich komme mit den beiden kaum klar!“
Opa kommt gegen sieben nach Hause und kümmert sich erstmal um die Enkel. Helene nutzt die Zeit, um für den nächsten Tag vorzukochen: Wäsche waschen, Suppe kochen, Frikadellen formen, die Wohnung aufräumen, die die Kinder in ein Chaos verwandeln. Dann füttern und waschen sie die Kleinen gemeinsam und bringen sie ins Bett.
Gegen neun hat Helene endlich eine Minute, um Tobias anzurufen.
„Und? Hat sie schon entbunden? Was sagen die Ärzte?“
„Nein, noch nicht, und keiner weiß wirklich was. Sie haben einen Ultraschall gemacht – dem Baby geht’s gut, endlich ein Mädchen. Jetzt heißt es nur warten.“
Helene wird von Tag zu Tag genervter. Ihrer Meinung nach lebt Lisa wie eine Königin: liegt im Krankenhaus, Tobias hat ihr einen Laptop gebracht, sie guckt Serien und schreibt in Foren. Wäre sie zu Hause, hätte sie längst entbunden! Aber im Krankenhaus kann sie sich noch wochenlang ausruhen. „Jetzt reicht’s! Entweder sie kriegt das Kind jetzt, oder sie kommt nach Hause!“, beschwert sich Helene bei Tobias. „Wenn es losgeht, rufen wir einen Krankenwagen, wie alle normalen Menschen!“
„Die Nichte unserer Nachbarin hat vor einem halben Jahr entbunden – abends ins Krankenhaus, am nächsten Tag war sie schon wieder daheim!“, sagt Helene weiter. „Die Tochter von meiner Freundin war auch fix fertig. Nur bei uns muss alles kompliziert sein! Ich sag’s Tobias deutlich: Hol deine Frau nach Hause!“
„Und was sagt dein Sohn?“
„Was soll er schon sagen? ‚Mama, halt durch, was bringt’s, sie jetzt zu holen? In der 41. Woche lässt sie keiner gehen!‘ Ich sage: Sie soll eine Unterschrift leisten und nach Hause kommen! Die halten sie doch nicht fest. Sie hat zwei kleine Kinder! Aber Tobias sagt nur: ‚Mama, das bringt nichts, wir holen sie heim, und dann müssen wir sie gleich wieder zurückbringen…‘ Ich weiß nicht mehr weiter. Ich bin total am Limit!“
Ist die Schwiegertochter wirklich schuld, dass sie die Kinder allein gelassen hat, um im Krankenhaus auf die Geburt zu warten? Oder hat Helene Unrecht – wenn sie Hilfe versprochen hat, sollte sie sich nicht beschweren? Der Sohn und seine Frau bitten selten um so etwas. Lisa ist nicht auf eine Party gegangen, sondern ins Krankenhaus. Die Leute behalten eine Frau nicht ohne Grund in der Entbindungsklinik…