Die Hochzeit, die mir die Wahrheit über meine Schwiegermutter zeigte
Sie hatten sich online kennengelernt. Sabine – eine geschiedene Frau mit einer schulpflichtigen Tochter – hatte nach der Trennung eine Wohnung in München gemietet. Ihr Ex-Mann hatte nur das Auto genommen und war in eine andere Stadt verschwunden. Übrig blieb ihr eine Zweizimmerwohnung. Am Anfang war es hart – allein mit einem Kind und niemandem, der ihr beistand. Doch dann beschloss sie, nicht für immer allein zu bleiben.
Markus war nicht der vielversprechendste Kandidat – ohne festen Job, ohne Eigentum, aber er konnte witzig sein, und Sabine mochte seine Unbeschwertheit. Nach ein paar Monaten wagte sie es, ihn ihrer Tochter vorzustellen, und zu ihrer Überraschtung verstanden sich die beiden. Kurz darauf lud sie Markus ein, bei ihr einzuziehen.
Für Markus war das eine Erleichterung. Bei seiner Mutter wohnen war längst unerträglich geworden. Einen Monat später machte er Sabine einen Antrag. Geld für eine prunkvolle Hochzeit wollten sie nicht ausgeben: nur standesamtlich heiraten und eine kleine Feier im Restaurant. Doch Markus‘ Mutter, Helga Schmidt, bestand auf einem „Brautkauf“, den sie als unverzichtbare Tradition ansah. Sabine willigte widerwillig ein.
Als sie im schlichten Kleid die Treppe hinunterging, um den Bräutigam und seine Verwandten zu empfangen, musterte Helga theatralisch die Umgebung und verkündete:
„Wo ist denn die Braut? Ich sehe niemanden in Weiß.“
Sabine biss die Zähne zusammen, hielt sich aber zurück.
„Ich bin hier. Wir sollten los, das Standesamt erwartet uns.“
Während der Zeremonie rührte sich Sabines Mutter zu Tränen. Doch statt Anteilnahme erntete sie ein zischendes:
„Was heulst du denn? Ich sollte heulen – heute hat man mir meinen Sohn weggenommen!“
Nach der Trauung ging es zum Essen. Der Moderator bat das Brautpaar zum ersten Tanz. Sabine stand auf, doch Markus kam nicht dazu – seine Mutter krallte sich in seinen Arm.
„Der erste Tanz gehört der Mutter des Bräutigams!“, rief sie triumphierend und zerrte ihn über die Tanzfläche. Es wirkte so absurd, dass die Gäste – selbst Sabine – nicht anders konnten, als zu lachen.
Später, als Helga ein „Familienfoto“ machen wollte, trat Sabine hinzu – sie gehörte schließlich jetzt dazu. Doch ihre Schwiegermutter blickte sie kalt an und zischte:
„Stör nicht. Das ist nur für die Familie.“
Sabine erstarrte. Markus wandte den Blick ab. In diesem Moment wusste sie: Auf seine Unterstützung konnte sie nicht zählen.
Am nächsten Morgen rief sie den Fotografen an und bat ihn, alle Bilder mit Helga zu löschen. Das war ihre stille Rache.
Eine Woche später tauchte die Schwiegermutter unangemeldet auf. Markus arbeitete als Barkeeper und kam spät nach Hause.
„Gut, dass deine Tochter schon groß ist“, meinte Helga. „Perfekt, wenn du mal ein Kind bekommst. Dann kann sie babysitten.“
„Sie ist erst acht!“, fuhr Sabine auf.
„Mit neun ist sie alt genug. Und du gehst sofort wieder arbeiten – meinen Sohn wirst du nicht aussaugen. Das lasse ich nicht zu!“
Sabine hörte sich das an, lächelte sarkastisch und sagte:
„Zum Glück bin ich nicht schwanger. Nach solchen Worten verliert man direkt die Lust darauf.“
Das war das Ende. Nach diesem Streit hatten sie keinen Kontakt mehr. Helga hetzte ihren Sohn gegen Sabine auf. Markus ließ sich überzeugen – er fand, er verdiene Besseres. Eine „kinderlose Frau mit Eigentumswohnung, die ihm zu Füßen liegt.“
Er ging. Sabine hielt ihn nicht auf. Doch Helga gab nicht auf. Eine Woche später rief sie an:
„Die Wohnung muss geteilt werden. Morgen komme ich vorbei – wir regeln das.“
„Das ist meine Wohnung! Und Ihren Sohn habe ich lange genug ertragen“, fauchte Sabine. „Jetzt reicht‘s.“
„Du warst von vornherein abgenutzt, noch dazu mit Kind! Jetzt wollen wir Entschädigung“, zischte die Schwiegermutter. „Entweder du gibst freiwillig nach, oder wir holen uns alles vor Gericht.“
Sabine diskutierte nicht weiter. Sie legte auf. Blockierte die Nummer. Weder Markus noch seine Mutter sah sie je wieder. Und das war auch gut so.