Er stand am Fenster und beobachtete sie… Dann trat er über die Schwelle der fremden Wohnung.
Sabine lief wie ein gehetztes Tier durch die Wohnung. Eine unerklärliche Angst quälte sie. In den letzten Tagen hatte das Verhalten ihres Mannes sie misstrauisch gemacht. Markus war plötzlich der perfekte Ehemann geworden – er räumte auf, kochte, brachte Blumen mit. Für wen diese Mühe? Für sie – oder um sein eigenes Gewissen zu beruhigen?
Am Fenster stehend, warf Sabine einen Blick in den Hof – und ihr Herz zog sich zusammen. Ihr Mann, der ihr ewige Treue geschworen hatte, starrte die Nachbarin an, als stünde sein ganzes Leben vor ihm. Sie riss sich abrupt vom Fenster los. *„Ist mein Markus wirklich zu so etwas fähig?“*
Da hörte sie seine Stimme hinter sich:
„Wen must du denn so anglotzen?“
Markus riss den Blick von der anmutigen Gestalt der Sabine los, die gerade ihren Hund ausführte, und drehte sich zu seiner Frau um.
„Uschi, du hast mich erschreckt. Ich dachte, du bist auf Arbeit.“
„Ich steh schon seit Minuten hier, und du hast es nicht mal gemerkt“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Worüber sinnierst du nach?“
„Ach… nur über die Arbeit“, murmelte er unsicher. „Der Neue hat wieder alles vermasselt, musste alles korrigieren.“
Uschi glaubte ihm nicht. Sie kannte ihren Mann wie seine Westentasche. Seine Augen, die Falten um seinen Mund – alles verriet etwas anderes.
Markus versuchte das Thema zu wechseln und fragte nach dem Abendessen. Die Antwort: „Ich hab noch eine Konferenz, koch dir selbst was.“ Also kochte er Nudeln mit Würstchen. Sie nickte widerwillig, obwohl sie das Gericht hasste.
Der Abend verlief unerwartet ruhig – im Büro fiel der Strom aus. Markus kam früher heim, schaute fern, vertrödelt die Zeit – und stand wieder am Fenster. Und dort war sie wieder: Sabine. Diesmal widerstand er nicht. Er ging hinunter, trat auf sie zu.
„Hallo. Lust auf einen Kaffee?“
Sabine zögerte, aber die Aussicht auf Gesellschaft lockte sie. Sie tranken Kaffee im Café. Alles war leicht, ungezwungen, und eine halbe Stunde später stand Markus in ihrer Wohnung. Sie überschritten alle Grenzen. Er wusste, dass er betrog, aber ihr Lächeln betäubte sein schlechtes Gewissen.
Zuhause angekommen, sah er ein Hochzeitsfoto. Seine eigenen Worte *„für immer“* hallten in seinen Ohren. Er schüttelte den Kopf und machte einen Auflauf, den Uschi so liebte.
Sie kam fröhlich heim – in der Besprechung hatte man ihr eine Beförderung in Aussicht gestellt. Sie lobte das Essen, doch Markus grinste nur gequält. *„Wüsste sie es, würde sie mir den Auflauf ins Gesicht werfen“*, dachte er und versuchte, die Fassung zu wahren.
Einige Tage mied er Sabine. Doch in ihrer Nähe zog es ihn nur stärker zu ihr. Als Uschi zur Arbeit gegangen war, ging er wieder zur Nachbarin. Diesmal ohne Umwege – direkt zu ihr.
Sabine war überrascht, aber sie ließ es geschehen. Es gab keine Romantik zwischen ihnen – nur die Neuheit, die Markus mit Gefühlen verwechselte.
Uschi bemerkte alles: die veränderte Art, die aufgesetzte Fürsorge, die fehlende Nähe. Und vor allem – seinen Blick aus dem Fenster. Eines Abends sah auch sie hinaus. Und erblickte sie.
„Betrügst du mich?!“, schrie sie und zeigte zum Fenster.
Markus schwieg zunächst, stammelte dann Ausreden. Doch es war zu spät. Sie warf ihn hinaus, trotz seines Flehens. Er ging… direkt zu Sabine.
„Sie hat’s rausgefunden. Hat mich rausgeworfen. Kann ich bei dir bleiben?“
Sabine zögerte. Doch dann öffnete sie die Tür…
Unten in der Wohnung, in der vor einer Stunde noch der Duft von Auflauf gehangen hatte, stand Uschi mit tränenverschleiertem Blick. Man hatte sie belogen. Betrogen. Und das Schlimmste – ihr Mann hatte nicht um ihre Ehe gekämpft. Er war einfach gegangen.
Doch sie würde nicht klein beigeben. Sie würde den Verräter nicht zurücknehmen. Nein. Sie holte sich eine Katze. Oder vielleicht einen Hund. Und lernte, neu zu leben – ohne Schmerz, ohne Illusionen, aber mit Würde.