Er suchte den Test, fand aber die Einsamkeit.

Lena wartete ungeduldig auf ihren Mann von der Arbeit. Zum Abendessen hatte sie seine Lieblingsgerichte zubereitet: Kartoffelpuffer und Apfelmus. Als die Tür aufging, empfing sie Markus mit einem Lächeln in der Küche:

„Hallo! Möchtest du essen?“

Ohne ein Wort setzte sich Markus an den Tisch und rührte das Essen nicht an. Lena wurde stutzig:

„Irgendwas passiert? Du bist so still…“

Die Stille zog sich hin. Dann plötzlich:

„Ein Test. Ich brauche einen Test.“

„Welchen Test, Markus? Was meinst du?“

Die Antwort traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel: ein Vaterschaftstest. Lena konnte es nicht fassen. Dieser Mann, mit dem sie so viele Jahre geteilt hatte, Freude und Leid, zweifelte an ihr? Er verlangte Beweise für ihre Treue?

„Das ist dein Ernst?“

„Was ist dabei? Wenn du nichts zu verbergen hast, warum regst du dich auf?“

Die Worte trafen sie wie ein Dolchstoß. Lena erinnerte sich, wie alles begann. Sie waren Teenager, als sie sich verliebten. Nach einem Jahr heirateten sie. Ihre Eltern hatten sie streng erzogen: Keine Intimität vor der Ehe. Markus fand das bewundernswert, denn in seiner Familie herrschten ganz andere Werte. Seine Mutter und sein Bruder, beide durch Affären geprägt, hatten ihm vor einer Enttäuschung gewarnt. Doch Markus hörte nicht hin. Er liebte sie.

Als Lena schwanger wurde, war Markus überglücklich. Doch die Schwangerschaft verlief schwer, die Ärzte verordneten strikte Schonung. Sie verließ kaum das Haus. Die kleine Sophie kam gesund zur Welt. Markus stand stundenlang am Bettchen:

„Die Haare sind wie deine. Aber die Augen… die sind meine!“

Bei der Entlassung aus der Klinik kam die Schwiegermutter. Sie musterte das Baby und warf nur kalt hin:

„Die sieht uns nicht ähnlich.“ – Dann ging sie, ohne das Kind auch nur zu berühren.

Lena schenkte dem keine Beachtung. Doch jetzt verstand sie: Da war der erste Samen des Misstrauens gesät worden. Bald darauf verschlechterte sich das Klima in der Familie. Markus kam gereizt nach Hause, wollte nicht mit Sophie spielen, redete ständig von Arbeit.

Als Lena ihn schließlich zur Rede stellte, brummte er etwas von Stress. Doch zwei Wochen später sagte er klar:

„Schau sie dir an. Sie ähnelt keinem von uns. Bist du sicher, dass sie meine Tochter ist?“

Die Worte durchbohrten ihr Herz. Lena brach in Tränen aus:

„Ich habe dich nie betrogen!“

„Dann mach den Test. Wenn du dich weigerst, hast du etwas zu verbergen.“

Es folgte ein erbitterter Streit. Markus knallte wütend die Tür zu und verschwand. Mit zitternden Händen rief Lena ihre Mutter an:

„Mama, bitte hol mich… ich halte es hier nicht mehr aus.“

Eine halbe Stunde später waren ihre Eltern da. Schweigend halfen sie beim Packen. Zuhause, als Sophie schlief, flüsterte ihr Vater:

„Ich habe dieser Familie nie getraut. Und lag richtig.“

Ihre Mutter nickte:

„Ein Mann, der einen Vaterschaftstest verlangt, ist keine Familie. Das ist keine Stütze, sondern eine Gefahr. Wir sind für dich da, Lena. Sophie schaffen wir auch allein.“

Lena hatte sich entschieden. Wenn Markus ihr nicht vertraute, hatte er nichts an ihrer Seite verloren. Später beschuldigte er sie:

„Du bist abgehauen – also bist du schuldig. Hast Angst, dass der Test die Wahrheit zeigt?“

Doch Lena handelte. Auf Anraten ihrer Freundin stellte sie einen Gegenantrag: Markus sollte als nicht der Vater anerkannt werden. Er wollte den Test – er sollte ihn bekommen. Und seine Wutausbrüche würden auch vor Gericht eine Rolle spielen.

Die Schwiegermutter triumphierte: „Ich hab’s doch gesagt!“ Doch ihre Freude währte kurz. Der Test bestätigte: Markus war der Vater. Seine Mutter behauptete, alles sei manipuliert. Doch das Gericht war sich sicher.

Und Lena erreichte, was sie wollte: Markus wurde das Sorgerecht entzogen.

„Das wolltest du doch, oder? Jetzt kannst du deiner Mutter gefallen. Keine Enkelin mehr, keine Tochter. Ich will nichts mehr von deiner Familie hören. Allein bist du nicht ohne Grund. Dein Bruder ist genauso – wie die Mutter, so die Söhne.“

Markus blieb auf der Bank vor dem Gerichtsgebäude sitzen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und begriff erst jetzt, was er verloren hatte. Wie er alles zerstört hatte. Die Familie, die Liebe, seine Tochter… alles.

Doch es war zu spät. Viel zu spät.

Manchmal verliert man erst, was man hat, wenn es für immer weg ist.

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Er suchte den Test, fand aber die Einsamkeit.
Der Brief, der im Herzen verblieb