Ein Überraschungsdinner: Wie ein Besuch bei ihrem Mann die ganze Wahrheit enthüllte
An einem gewöhnlichen Wintertag beschloss Sabine, ihrem Mann eine kleine Überraschung zu bereiten. Sie holte ein frisches Huhn aus dem Tiefkühlfach – das ihre Mutter ihr vor Kurzem gebracht hatte –, briet es knusprig goldbraun und zauberte ein cremiges Kartoffelpüree mit Butter und frischen Kräutern. Sie deckte das Essen sorgfältig in eine Box, zog sich besonders hübsch an: ein tiefrotes Kleid, das seit Monaten ungetragen im Schrank hing. Ihr Haar war elegant hochgesteckt, ein Hauch Korallen-Lippenstift – alles perfekt. Sie wollte schön sein für ihn. Begehrt. Ihn überraschen. Ihm Freude machen.
Bis zu Johanns Büro dauerte die Fahr gut eine halbe Stunde. Als sie aus dem Auto stieg, atmete sie die kalte Luft ein – ihr Herz klopfte unruhig. Drinnen im Foyer des Bürogebietes saß eine gelangweilte Rezeptionistin hinter dem Tresen. Sabine erklärte höflich, sie sei Johanns Frau und wolle ihn besuchen.
„Habt Ihr einen Termin?“, fragte die Frau, ohne vom Bildschirm aufzusehen.
„Nein, ich… ich bin einfach…“, stammelte Sabine. „Ich bin seine Frau.“
„Ohne Anmeldung geht das nicht“, entgegnete die Rezeptionistin gleichgültig.
Nach zehn Minuten Diskussion bekam Sabine widerwillig einen Besucherausweis. Sie fuhr hoch und ging zielstrebig auf sein Büro zu. Doch gerade als sie die Hand zum Klopfen hob, erstarrte sie. Hinter der Tür hörte sie Gelächter. Ein weibliches. Und ein männliches. Und Johanns Stimme.
Sie erkannte sein Lachen sofort – dieses tiefe, leicht nasale Kichern. Doch die Worte, die folgten, ließen ihr Blut in den Adern gefrieren.
„Ernsthaft, deine Sabine ist doch ein einziges Kasperletheater!“, spottete die fremde Stimme.
„Leiser… Man könnte uns hören“, flüsterte Johann. Doch jedes Wort drang klar zu Sabine.
„Wen interessiert das schon?“, lachte die Frau. „Wann sagst du es ihr endlich? Wie lange willst du noch Versteck spielen?“
„Ich will nicht darüber reden…“, wehrte er ab.
„Ach, vergessen wir sie doch!“ Die Stimme war spitz. „Was bringt es, über deine brave Ehefrau nachzugrübeln?“
Sabines Finger krallten sich um den Handtaschenträger, bis die Knöchel weiß wurden. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als würde ihr Körper erstarren. Doch es kam nicht genug.
„Lass uns doch übers Wochenende wegfahren. Nur wir zwei. Ein bisschen Spaß haben.“
„Geht nicht. Marie hat am Samstag ihre Schulaufführung.“
„Und? Schick sie zu ihrer Mutter. Dazu ist die Alte doch gut.“
Sabine hielt es nicht mehr aus. Sie riss die Tür auf.
Johann erstarrte am Schreibtisch, daneben, lässig zurückgelehnt, seine Kollegin – die gleiche Inge, der Sabine schon auf Firmenfeiern begegnet war. Inge errötete nicht einmal. Sie musterte Sabine nur mit einem spöttischen Blick und grinste:
„Na so was… Unangemeldet. Das hätt ich nicht gedacht.“
Johann sprang auf.
„Sabine, es ist nicht, was du denkst! Warte!“
„Was soll ich denken, Johann?“ Sabines Stimme bebte. Sie stellte die Essensbox auf den Tisch. „Hier. Dein Abendessen. Selbst gemacht. Dein Lieblingsessen.“
„Sabine, bitte…“
„Nein, Johann. Genug. Ich habe alles gehört.“ Sie drehte sich um und ging, ohne ihm ein weiteres Wort zu lassen.
Auf der Straße lief Sabine wie durch Watte. Tränen verschleierten ihr Blick. Die Luft war bleischwer. Jeder Schritt brannte. Alles, woran sie geglaubt hatte, wofür sie gelebt hatte – alles war eine Lüge.
Am Abend fuhr sie zu ihrer besten Freundin. Sie erzählte alles. Weinte. Lange. Heftig. Doch zu Hause erwartete sie Johann – auf den Knien.
„Vergib mir. Ich war müde. Alles war zu viel. Es war nur eine dumme Phase. Du übertreibst. Mach keinen Fehler.“
Sabine lächelte nur bitter.
„Weißt du, Johann? Ich brauche keinen schwachen Mann.“
Am nächsten Tag reichte sie die Scheidung ein.
Monate vergingen. Sabine nahm einen Kredit auf, zog aus. Sie wollte nicht länger in der Wohnung leben, wo jeder Winkel sie an den Verrat erinnerte. Sie stürzte sich in die Arbeit, eröffnete ihr eigenes Showroom, baute ihr Geschäft aus. Und… traf einen Mann. Auch er war Vater – seine kleine Tochter lebte bei ihm. Sie begannen neu.
Sabine erblühte. Sie fürchtete die Einsamkeit nicht mehr. Sie begriff: Veränderung ist nicht schlimm. Manchmal ist sie nötig – damit man endlich wirklich leben kann.