Der Besuch der Schwiegermutter: Fürchte ich das Ende unseres Zuhauses?

Mein Mann möchte seine Mutter zu uns holen – und ich fürchte, dass unser Zuhause daran zerbricht

Als Andreas mir erzählte, er wolle seine Mutter für immer bei uns aufnehmen, durchfuhr mich ein eisiger Schauer. Nicht, weil ich sie nicht mag. Ganz im Gegenteil – ich schätze Gerda Hildegard, weiß, was sie für unsere Familie getan hat. Doch das nimmt mir nicht die Angst. Die Angst, dass mit ihrer Ankunft unser Frieden endet und das vertraute Leben aus den Fugen gerät.

Seit dreizehn Jahren sind wir nun zusammen. Zwei Kinder – der ältere Lukas und die kleine Lina. Wir leben in München, in einer normalen Dreizimmerwohnung: Unser Schlafzimmer, die Kinder haben je ihr eigenes Zimmer. Der übliche Alltag, Arbeit, Schule, Haushalt – alles wie bei anderen. Nicht einfach, aber wir kommen zurecht. Nur Freizeit bleibt kaum – besonders seit Gerda Hildegards Gesundheit sich rapide verschlechtert.

Meine Schwiegermutter hat seit Jahren gesundheitliche Probleme – Nieren, Herz, nun auch noch schwerer Diabetes. Durch ihr Gewicht fällt ihr selbst das Aufstehen schwer. Schon lange fahren wir unter der Woche abwechselnd zu ihr – bringen Einkäufe, Medikamente, kontrollieren die Tabletten, helfen beim Waschen. Am Wochenende dann der große Besuch: Wäsche, Putzen, Kochen, Gesellschaft.

Wie oft habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich fragte, wann wir zuletzt ein Wochenende nur zu zweit verbrachten. Doch ich habe mich nie beschwert. Denn Gerda Hildegard stand uns bei, als wir Hilfe brauchten. Sie half mit der Baufinanzierung, gab fast ihre gesamten Ersparnisse, damit wir diese Wohnung kaufen konnten. Sie mischte sich nie ein, war weise. Dafür respektiere und liebe ich sie.

Doch dann sagte Andreas eines Abends beim Tee, beiläufig wie eine Selbstverständlichkeit:

„Nach den Feiertagen zieht Mutter zu uns. Ich habe es entschieden. Sie kann nicht mehr allein bleiben, das weißt du.“

Ich nickte nur. Was hätte ich sagen sollen? Er hat recht. Sie schafft es wirklich nicht mehr. Beim letzten Mal rang sie in der Badewanne nach Luft, ihr Herz versagte vor meinen Augen. Es ist furchtbar. Und eine Verantwortung, der man sich nicht entziehen kann.

Dann kam die Erkenntnis: Wo sollen wir alle hin? Drei Zimmer. Um ihr eigenes Reich zu geben, müssten die Kinder zusammenrücken. Und die verstehen sich kaum. Lukas, in der Pubertät, braucht Ruhe. Lina – immer in Bewegung, laut, schnell gekränkt. Schon jetzt hört man ihren Streit durch die Wände. Wie soll das werden, wenn sie sich ein Zimmer teilen?

Ich sehe ihre Tränen schon vor mir, zuschlagende Türen, Vorwürfe. Ich sehe, wie meine Schwiegermutter unter Lärm und Enge leidet. Wie ich selbst, erschöpft von Arbeit und Haushalt, die Nerven verliere und zu jemand anderem werde – gereizt, ungeduldig. Und ich fürchte mich um unsere Ehe. Denn solche Veränderungen hinterlassen Spuren.

Ich schäme mich. Ich weiß, wie das klingt. Eine Frau beklagt sich, weil ihr Mann sich um seine Mutter kümmern will. Und sie denkt nur daran, wie es ihr Leben verkompliziert.

Doch auch das ist wahr. Eine Wahrheit, der man nicht entkommt. Ich bin nicht aus Stahl. Kein Roboter. Nur eine Frau, die fürchtet, das Wenige zu verlieren, das sie hat – Frieden, Gleichgewicht, Geborgenheit.

Ich schweige. Weil ich weiß: Es muss sein. Weil Gerda Hildegard es verdient hat, nicht einsam zu altern. Weil Andreas es sich nie verzeihen würde, wenn ihr etwas zustieße.

Ich versuche, mich zu sammeln. Ich weiß, ich muss Geduld lernen. Raum teilen, Stille teilen, sogar die Luft. Dankbar sein, dass ich helfen kann.

Doch innen tut es weh. Denn ich wünschte, auch mich würde jemand auffangen. Mich umarmen und sagen: „Du schaffst das. Ich bin da. Du bist nicht allein.“

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Besucher zerstörten ihr Leben… Doch dann lernte sie, „Nein“ zu sagen.